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Lautlos im Orbit (1988)

Titel: Lautlos im Orbit (1988) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus - Lautlos im Orbit Frühauf
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um die leichten Etüden Mozarts, die schwermütigen Heldengesänge Miroshnins oder den Donner einer Wagneroper. Musik, Biologie, Genetik, Malerei, Soziologie, das alles und noch viel mehr ist für sie Mathematik, und wenn sie über dieses ihr Steckenpferd referiert, dann scheint sie sich in einen anderen Menschen zu verwandeln, dann ist es, als versachliche sich ihr Gesicht.
    Ist es ein Wunder, daß meine Müdigkeit zurückkehrt?
    Sehr spät erst, zu spät fast schon, erkenne ich, daß sich hinter ihrer Metamorphose Absicht verbirgt.
    Das geschieht zu dem Zeitpunkt, an dem ich, überzeugt, daß sich an diesem Tag, in dieser Nacht, weder meine Wünsche noch meine Wege mit den ihren kreuzen werden, beschließe, meiner Abgespanntheit nachzugeben und endlich schlafen zu gehen.
    Genau in diesem Augenblick sagt sie: »Komm!« und nimmt meine Hand.
    Und wieder gehe ich mit ihr den Gang entlang, vorbei an fremden Türen und über wandernde Lichtreflexe hinweg, und obwohl sie mich noch immer an der Hand hält, bleibt auch sie mir fremd. In ihrem Gesicht zeigt sich keine Regung. Sie läuft neben mir her wie eine mechanische Puppe. Oder wie jemand, der sich unter dem Druck der Ereignisse entschlossen hat, etwas sehr Unangenehmes, aber eben auch Notwendiges schnellstens hinter sich zu bringen.
    Was aber könnte eine Frau wie Dora Taylor als so wichtig empfinden, daß sie sich entschließt, die selbsterrichtete Mauer niederzureißen? Ich rufe mir die Art, in der sie mich aufgefordert hat, die Sonden zu vernichten, ins Gedächtnis. War es da nicht, als sei plötzlich ein Stück der dicken Kruste, die sie bisher umgeben hat, geborsten? Dort auf dem Gang, als sie mir ganz nah war, als sie meinen Arm berührte, da hat sie mir einen Blick in ihr Inneres gewährt.
    Weshalb? Was war der Anlaß, der Auslöser? Trägt sie sich etwa mit ähnlichen Gedanken wie ich? Verfolgt sie gar die gleichen Ziele?
    Um Himmels willen, Philipp Barrymore! Auf welch abwegige Einfälle bringen dich die Augen dieser Frau? Überlege dir nur, welch ein ungeheurer Zufall es wäre, befänden sich an Bord dieser Station zwei Menschen, die sich mit der Absicht tragen, sie zu vernichten. Nein, Phil! Verstricke dich nicht in derart unsinnige und gefährliche Spekulationen.
    Es ist, als bewegten sich deine Gedanken in einem zähflüssigen Brei. Und dabei weißt du doch, daß für dich nichts lebenswichtiger ist, als klaren Kopf zu bewahren. Was, fragst du dich immer aufs neue, könnte diese Frau veranlassen, sich dir in dieser Weise zu nähern, wenn es nicht die gleiche Sorge wäre, wie auch du sie empfindest. Und dabei willst du doch nichts anderes als ihre Nähe.
    Ist es vielleicht wirklich Zuneigung?
    O Phil! Versteig dich nicht in solch unüberschaubare Regionen. Versuche nicht, die Handlungen Dora Taylors zu interpretieren, die Navigatorin ist kein aufgeschlagenes Buch, in dem du lesen könntest. Laß die Finger von ihr, Philipp Barrymore!
    Da ist die Tür deiner Kabine. Laß endlich ihre Hand los und verabschiede dich. Mit einer kleinen spöttischen Verbeugung vielleicht. Laß sie merken, daß sie durchschaut ist. Nun mach schon, Phil, geh endlich!
    »Bitte, Phil, laß uns zu mir gehen. Bei dir wäre es mir…, es ist…, in fremder Umgebung fühle ich mich zu unsicher, weißt du?«
    So leicht ist es also, dich umzustimmen. Man braucht dir nur ein wenig Verwirrung vorzuspielen, und all deine guten Vorsätze schmelzen dahin wie Eis in der Sonne. Du weißt nicht, was du willst, Philipp McBruns. Gestern maltest du dir aus, wie wunderbar ein Leben an ihrer Seite sein müßte, vor einer Minute noch warst du entschlossen, dich nicht an sie zu verlieren, und nun gehst du doch mit ihr. Nimm dich in acht, Philipp Barrymore! Gemeinsames Frühstück am Morgen. Der Morgen nach einem langen Traum. Aber war es ein Traum, der über Alltägliches hinausreichte? Gibt es das überhaupt, was du dir erträumst?
    Da begegnet dir eine Frau, die auf dich wirkt, als verspräche ein Leben mit ihr alle Freuden dieser Welt, da vermutest du Glut, die nur eines Anlasses bedarf, um ungehemmt hervorzubrechen, dunkle Augen und heiße Haut. Und wenn sie dann endlich in deinen Armen liegt, dann hast du das Gefühl, daß trotz allem ein Abstand geblieben ist, daß etwas fehlt, der letzte Funke, die Totalität, der Sturz ins Absolute, und du fürchtest, daß diese Distanz sich niemals verringert, auch wenn ihr euch noch so nahe seid.
    Es ist die Umgebung, Phil. Diese entsetzliche Kälte um euch

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