Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lautlos

Lautlos

Titel: Lautlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
Vom Netzwerk:
werden uns nicht entwaffnen lassen! Ja, wir werden verhindern, dass hergelaufene Usurpatoren und Mörder unsere von Gott verliehene Heimat an die Ungläubigen und Minderwertigen verteilen! Der Gesang der Toten, Mirko, ihm lausche ich, sie sagen mir, was ich für die Lebenden zu tun habe, was meine Aufgabe ist.«
    Er wartete, als wolle er abschätzen, wie seine Worte wirkten. Mirko rührte sich nicht.
    »Darum bin ich hier«, fuhr der Alte ruhiger fort, »weil man die gepeinigte Kreatur in Augenschein nehmen und eins mit ihr werden muss, um ihr Leid zu begreifen. Ich sitze in dieser Kirche, weil sie unsere Kultur symbolisiert, unser Erstgeborenenrecht. Und weil sie zerfällt, so wie das Land zerbrochen und einem Zoo gleich geworden ist, in dem die Affen das Sagen haben.« Er lächelte grimmig. »Aber das wird sich ändern. Und Sie werden uns dabei zur Seite stehen. Nicht wahr? Das werden Sie doch.«
    Mirko betrachtete ihn und fragte sich, wie viel von dem Unsinn der Alte selbst glaubte. Konnte es sein, dass dieser hemmungslose und genusssüchtige Machtmensch, der dort in gespielter Bescheidenheit an seinem Becher nuckelte, seinem eigenen Drehbuch aufgesessen war?
    »Könnte sein«, sagte er.
    Der alte Mann runzelte die Stirn und knallte seinen Becher auf die Platte. Die Maske des Predigers wanderte in die Requisite.
    »Der Wortlaut Ihrer Nachricht klang verbindlicher als ›könnte sein‹.«
    »Ich will nur keine vorschnellen Hoffnungen wecken.«
    »Ich bin aber nicht hergekommen, um Zeuge Ihrer Ratlosigkeit zu werden. Haben Sie nun was für mich oder nicht?«
    Mirko nahm einen Zug aus seinem Becher. Er hasste es, angepöbelt zu werden. In solchen Momenten blieb er die Antwort exakt so lange schuldig, wie der andere brauchte, um sich brüskiert zu fühlen.
    Der alte Mann starrte ihn an.
    »Ja, ich habe jemanden«, sagte Mirko. »Eine Frau. Sie hört auf den Decknamen Jana.«
    »Serbin?«
    »Geboren und aufgewachsen in Belgrad.«
    »Gut!«
    »Spricht außer Serbisch fließend Deutsch, Italienisch und Englisch. Ich würde sie zu den zehn gefragtesten Spezialisten der Welt rechnen.« Er machte eine Pause. »Und zu den zehn teuersten.«
    Die Augen des Alten verengten sich zu Schlitzen. Mirko sah, dass ihn die Nachricht erregte.
    »Mehr«, drängte er. »Sie müssen schon ein bisschen präziser werden.«
    »Es gibt nicht viel zu präzisieren. Ich konnte noch nicht mit ihr persönlich zusammentreffen. Das ist so gut wie unmöglich. Sie benutzt verschiedene Tarnungen, aber man kommt über Umwege immerhin an ihren Finanzdirektor. Neunundneunzig Prozent aller Anfragen lehnt er grundsätzlich ab. Diese fand sein Interesse. Er hat mit ihr darüber gesprochen.«
    »Eine Terroristin mit Finanzdirektor?«
    »Nicht doch«, sagte Mirko, ohne sich den Spott verkneifen zu können. »Terrorismus ist ein schlimmes Wort, das hört man in der Branche nicht so gern.«
    »Sie meinen, ich könnte die Dame kränken?«, kicherte der Alte.
    »Nein«, gab Mirko ruhig zurück. »Sie werden überhaupt nie die Gelegenheit haben, sie zu kränken, weil Sie nicht mit ihr zusammenkommen werden. Aber ich werde es tun. Falls wir – falls Sie! – ihren Preis akzeptieren.«
    »Sie weiß, worum es geht?«
    »Sie weiß, um wen es geht.«
    »Und?«
    Mirko zuckte die Achseln. »Haben Sie fünfundzwanzig Millionen übrig?«
    Im Gesicht seines Gegenübers machte sich Erstarrung breit. Einen Moment lang wirkte der Mann wie sein eigenes Memorial.
    »Dafür will ich ein Wunder«, sagte er tonlos.
    »Jana geht davon aus, dass Sie eines wollen«, sagte Mirko. »Es gibt nicht viele Möglichkeiten, dieses Wunder zu vollbringen, aber dass fünfundzwanzig Millionen viel Geld sind, weiß sogar sie.«
    »Und was ist alles drin in diesen … fünfundzwanzig Millionen?«
    »Jana. Ihr Kopf, ihre Ideen, die Ausführung.«
    »Sonst nichts?«
    »Material und Spesen gehen extra. Auch die Branche arbeitet marktwirtschaftlich. Natürlich sagt uns der gesunde Menschenverstand, dass es andere Gelegenheiten gibt, Ihren Auftrag auszuführen. Mit mehr Aussichten auf Erfolg. Weniger schwierig. Der Preis würde sich mindestens halbieren.« Er machte eine Pause. »Aber Sie wollen das Brett ja unbedingt an der dicksten Stelle anbohren.«
    Der Alte beugte sich vor. Seine blauen Augen leuchteten.
    »Wir sprechen hier von einer unabdingbaren Notwendigkeit«, sagte er. »Aber natürlich geht mein Ansinnen noch darüber hinaus. Ich will einen Aufschrei! Etwas, wonach die Welt sich schneller

Weitere Kostenlose Bücher