Lautlos
stürzte den Rest seines Wassers herunter und stellte das Glas auf den Tisch.
»Ich darf um Nachfüllung bitten. Das Objektiv übermittelt ein Bild, Herrschaften. Irgendwohin, wo es jemand empfangen kann. Ich vermute, in diesem Fall haben wir es mit einer Doppelfunktion zu tun. Bildübertragung und Zielfernrohr in einem.« Er lehnte sich zufrieden zurück. Die Sache begann ihm plötzlich Spaß zu machen. »Ja, Sie werden genau das feststellen. Das Objektiv ist der Zielmechanismus.«
»Ferngesteuert?«
»Natürlich. Über Radiowellen, schätze ich. Infrarot bietet sich auf solchen Distanzen nicht an.«
»Also hat das Objektiv ein Bild gesendet«, sagte Brauer gedehnt. »Wo ist dann aber der Schütze?«
O'Connor suchte nach einer Antwort. Die Frage war schwierig. Er kannte den Aufbau von Festkörperlasern in- und auswendig. Ein Todesschütze kam darin im Allgemeinen nicht vor.
»Wenn das Ding ferngesteuert war«, sinnierte Lavallier mit zusammengezogenen Brauen, »kann der Schütze ein ganzes Stück weit weg gestanden haben, nicht wahr?«
»Er könnte das Signal auf einem Laptop empfangen haben«, schlug der stellvertretende Verkehrsleiter vor. »Dort, wo auch der Laser steht.«
Nein, dachte O'Connor, das macht keinen Sinn. So wie Lavallier den Ablauf der Ereignisse geschildert hatte, bevor sie in den Container gegangen waren, hatten sich die Spiegel erst in letzter Sekunde gezeigt. Sie waren aus dem Nichts aufgetaucht, was bedeutete, dass Clohessy, Pecek oder Mahder sie getarnt hatten. So, dass sie erst zum Vorschein kamen, wenn der Präsident die Air Force One verließ. Als Folge hatte das Objektiv im Verborgenen kein Bild übermitteln können. Der Schütze musste sich in Sichtweite der Maschine befunden haben, um zu sehen, was geschah. Im entscheidenden Augenblick hatte er die Spiegel aus ihren Verstecken befreit und sofort geschossen.
Womit hatte er geschossen? Wie konnte er den Präsidenten so genau ins Visier nehmen?
Und wenn es das Visier einer Kamera war?
Nur eine Personengruppe hatte die Möglichkeit gehabt, mit dem entsprechenden Equipment nah genug an die Air Force One heranzukommen, ohne dass jemand Verdacht schöpfte.
»Die Journalisten«, sagte O'Connor.
JANA
Alles an der Situation war zutiefst deprimierend.
Ein halbes Jahr lang hatten sie an dem System gefeilt. Sie hatten es immer wieder getestet. Mehrmals hatten sie den YAG in den Hof gefahren, die Klappen am Gestänge der Lärmschutzhalle und am Entlüftungsrohr des UPS-Gebäudes geöffnet und den Testimpuls ausgesandt, um feinste Korrekturen vornehmen zu können. Selbst Gruschkow hatte sein Erstaunen nicht verbergen können, dass es so reibungslos funktionierte.
Und nun das.
Technisches Versagen war ausgeschlossen.
Die Tatsache, dass die Journalisten zusammengedrängt in den Zelten darauf warteten, einzeln überprüft zu werden, bevor sie das Gelände verlassen durften, ließ keine andere Deutung zu, als dass O'Connor sie geschlagen hatte.
Schwerer noch als das heutige Versagen wog die Tatsache, dass mit der Zerstörung des Systems auch die zweite Chance dahin war. Sie hatten gewusst, dass es Schwierigkeiten geben konnte. Dass der Lichtimpuls bei starkem Regen nicht durchkommen würde. Aber solange niemand etwas von dem YAG ahnte, wäre niemand auf die Idee gekommen, nach Spiegeln zu suchen. Sie hätten es am Tag von Clintons Abreise ein weiteres Mal versucht. Auf demselben Vorfeld, mit Hillary an seiner Seite. Zweimal Juniregen war sogar im wechselhaften Rheinland unwahrscheinlich. Spätestens beim zweiten Mal hätte es funktioniert.
Aber sie waren aufgeflogen. Die Operation »LAUTLOS« war geplatzt.
Jana fragte sich nicht, was aus Mahder oder Pecek geworden war. Alles, was noch zählte, war, hier wegzukommen und sich schnellstmöglich abzusetzen.
Die Journalisten um sie herum tranken Mineralwasser oder Cola und unterhielten sich. Wer rausgewunken wurde und die Kontrolle überstanden hatte, durfte entweder zurück zur Absperrung gehen, um die Ankunft des japanischen Premiers zu erleben, dessen Maschine in diesen Minuten einrollte, oder den Bereich verlassen.
Sie dachte an die Summen auf ihren Schweizer Konten. Wenigstens ein Teil des Geldes war ihr sicher. Auch ohne die restlichen Millionen, die das Trojanische Pferd ihr jetzt natürlich nicht mehr zahlen würde, besaß sie immer noch mehr als genug, um irgendwo ein neues Leben zu beginnen.
Vorausgesetzt, Mirko und seine Hintermänner ließen das Desaster mit Paddy als höhere
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