Lautlos
Reinfall.
Die Limousinen verschwanden ohne anzuhalten in der Tiefgarage des Hyatt, derart schnell, dass es unmöglich war zu sagen, in welcher der Präsident überhaupt saß. Die anderen Wagen stoppten vor dem Haupteingang. Jede Menge Leute entstiegen den gepanzerten Vans und Geländewagen und gingen ins Innere.
Als klar war, dass man den Präsidenten hier nicht mehr zu Gesicht bekommen würde, wurden halbherzig ein paar Fotos geschossen und einige nichts sagende Sequenzen aufgenommen, in denen Mitarbeiter des Secret Service und des FBI von hier nach da gingen.
Clinton war ihnen entgangen. Vielleicht würde er ihnen morgen gnädiger sein. Zu einer anderen Zeit an einem anderen Ort, nach neuerlichem Warten und Hoffen, Hoffen und Warten.
Schon auf der Zufahrt zur Tiefgarage verlangsamten die Limousinen ihre Fahrt und glitten gemächlicher dahin. Guterson hatte die Zeit vom Flughafen hierher mit Telefonieren verbracht. Mittlerweile wusste er eine ganze Menge mehr, und was er wusste, erfüllte ihn nicht mit Freude.
Ein Laserattentat.
Gott und alle Gerechten! Sie hatten versucht, Clinton mit einem Laser umzubringen.
Die Lincolns wurden langsamer und stoppten. Guterson stieg aus und sah zu, wie dienstbare Geister Clinton den Schlag öffneten. Ein roter Teppich war ausgerollt worden. Von den Aufzügen, die ins Innere des Hotels führten, näherte sich eine Hand voll Menschen. Der Präsident kam zum Vorschein, die Herzlichkeit selbst. Keine Spur mehr von Übellaunigkeit. Guterson hoffte, dass sich Clintons Laune tatsächlich gebessert hatte und nicht nur auf der Oberfläche seines Gesichts. Im Geiste rekapitulierte er, wem Mr. President gerade die Hand schüttelte: Erstens Nadja Horst, Verkaufsdirektorin des Hyatt. Zweitens Jan Peter van der Ree, Hoteldirektor. Die anderen waren Beiwerk, unwichtig für den Augenblick. Aber natürlich waren auch sie einer dezidierten Prüfung unterzogen worden. Wer immer in diesem Hotel Dienst tat und auch nur im Entferntesten mit der Anwesenheit des Präsidenten zu tun hatte, war von Carl Seamus Drake, dem Abteilungsleiter Sicherheit für den Bereich Wohnen, dermaßen unter die Lupe des Secret Service genommen worden, dass ein Röntgenapparat dagegen ein Topf trüber Suppe war.
Aus der dritten Limousine gesellten sich Botschafter Kornblum und seine Frau hinzu. Clinton plauderte angeregt mit seinen Gastgebern. Getränke wurden gereicht. Gemeinsam gingen sie zu den Aufzügen. Van der Ree erkundigte sich nach Hillary und Chelsea. Clinton erwiderte, sie würden wie geplant in zwei Tagen aus Palermo eintreffen, und er freue sich darauf, sie wiederzusehen. Wohlklingende Worte über das Wesen der Familie wurden gewechselt. Guterson beorderte drei Männer zu sich, dann fuhren sie mit dem Präsidenten in den sechsten Stock. Clinton hieß ihn mit in seine Suite kommen, schloss hinter Guterson die Tür und nahm einen Schluck von seiner Cola light.
»Also«, sagte er.
Guterson sah aus dem Augenwinkel den gigantischen Strauß champagnerfarbener Rosen, den das Hyatt für seinen Gast bereitgestellt hatte. Die Suite sah phantastisch aus. Nichts erinnerte daran, dass sie ausgebrannt war und die Instandsetzung seinen Leuten zusätzliche Sorgen bereitet hatte.
»Mr. President«, sagte er langsam, »wie es sich im Augenblick darstellt, hat man auf dem Flughafen versucht, Sie mit einer … ähem … Laserwaffe anzugreifen.«
Clinton starrte ihn an.
»Das ist ja mal was ganz Neues«, sagte er.
Tatsächlich war es nicht das erste Mal, dass der Secret Service Clinton vor einem Anschlag bewahrt hatte, aber derlei drang für gewöhnlich nicht in die Presse. Wer sich schlau machte, konnte bei der CIA ein paar Daten abrufen – rund achttausend potentielle Clinton-Attentäter allein in den Staaten waren den Sicherheitsorganen namentlich bekannt. Dass einige es bereits versucht hatten und gescheitert waren, andere darüber ihr Leben verloren hatten, fand Einzug in geheime Akten. Man wollte keine Atmosphäre der Verunsicherung schaffen. Bill Clinton hatte sich angewöhnt, unkompliziert mit dem fortwährenden Risiko umzugehen, das ihm vor allem aus den Reihen der weißen Suprematisten und fundamentalistischen Milizen drohte. Rechtslastige Homepages im Internet brachten unverhüllte Aufrufe zum Präsidentenmord, und immer wieder fühlten sich Hitzköpfe dazu bemüßigt, schlecht geplante Angriffe durchzuführen. Das meiste flog auf, bevor es überhaupt den Status der Praktikabilität erreicht hatte.
Guterson
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