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Lautlos

Lautlos

Titel: Lautlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Misstrauen, warum sollten wir diese Frau decken? Ihre Unterstellungen sind idiotisch.«
    »Niemand sagt, dass Sie Jana decken«, beeilte sich Bär zu versichern. »Bitte verstehen Sie uns. Sie haben in diesem Fall unglaubliche Hilfe geleistet. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wie dankbar wir Ihnen sind. Aber Sie wissen auch, was es bedeutet, wenn die Frau in der augenblicklichen Situation durch Köln läuft. Es ist Gipfel.«
    O'Connor schüttelte den Kopf.
    »Sie wird keinen zweiten Versuch unternehmen, Clinton zu töten.«
    »Was macht Sie da so sicher?«
    »Wir haben den Laser gefunden. Das Ding ist nicht mehr einsatzfähig. Was würden Sie an Janas Stelle tun? Ins Hyatt marschieren und Clinton im Schlaf mit dem Kissen ersticken?«
    »Hat sie gesagt, dass sie fliehen will?«
    »Darüber haben wir uns nicht unterhalten. Sie ist weg. Wenn wir wüssten, wo sie ist, würden wir es Ihnen sagen.«
    Bär kaute an seinem Kugelschreiber.
    »Ich glaube«, sagte Wagner, »sie wird fliehen.«
    »Warum glauben Sie das?«
    Sie wollte darauf antworten, als sie Silberman aus der Spedition humpeln sah. Er kam langsam zu ihnen herüber. Dahinter schob das Team des Notarztwagens eine Bahre heraus.
    »Kuhn«, rief sie aus, als er näher kam. »Wie geht es ihm?«
    Plötzlich sah sie, dass der Korrespondent geweint hatte. Seine Augen waren verquollen und gerötet.
    Er schüttelte den Kopf und ging an ihnen vorbei.
    Wagner versuchte, Trauer zu empfinden. Es gelang ihr nicht. Der Tag würde kommen, irgendwann. Jetzt wollte sie nur noch ins Bett und einschlafen, während O'Connor ihre Hand hielt, sie festhielt, damit sie nicht zurückgleiten konnte in den Alptraum der letzten Stunde.
    Bär lächelte wieder.
    »Wir lassen Sie erst mal in Ruhe«, sagte er leise.
    O'Connor legte den Arm um ihre Schultern und begann sie sanft zu wiegen. Wie zwei Kinder saßen sie in dem offenen Wagen, ließen die Beine herausbaumeln und sahen den Polizisten bei der Arbeit zu.
    »Sind wir schuld?«, flüsterte sie nach einer Weile.
    Er ließ ein kurzes Schweigen verstreichen.
    »Wir sind alle schuld«, sagte er. »An allem.«
20. JUNI. MARITIM
    Die Sonne schien. Das Thermometer verzeichnete siebenundzwanzig Grad Celsius. Durch das geöffnete Fenster ging ein leichter Wind und bauschte die weißleinenen Vorhänge.
    O'Connor lag auf dem Bett und las in einer Illustrierten, als Wagner aus der Dusche kam. Sie warf das Handtuch auf den Boden, nahm ihm die Zeitschrift weg und küsste ihn.
    »Mhmm«, machte O'Connor.
    »Ich bringe dir alles durcheinander«, sagte sie. »Ich bin nicht so besonders ordentlich.«
    »Ist das eine Warnung?«
    »So ungefähr.«
    »Zieht nicht«, murmelte er. »Unordnung ist sexy.«
    »Was du nicht sagst.«
    »Liebe war noch nie ordentlich und Sex schon gar nicht. Du weißt doch, man verlegt seine Grundsätze und Zurückhaltung und gibt sich im Folgenden alle Mühe, sie nicht wiederzufinden.«
    Er zog sie an sich. Sie lachte und sprang vom Bett herunter.
    »Keine Zeit für Sex«, sagte sie, während sie in einem Haufen Wäsche herumstocherte. »Wir sind verabredet.«
    »Du lieber Gott! Pünktlichkeit …«
    » …stiehlt einem die Zeit. Schon klar. Lass dir was Besseres einfallen.«
    Seit drei Tagen hatte O'Connor so gut wie keinen Alkohol getrunken. Sobald er wirkliche Probleme hatte, schien sein Interesse an Alkohol zu erlahmen, und derzeit hatte er Probleme. Er durfte Köln nicht verlassen. Vorläufig, wie es hieß, aber vorläufig entwickelte sich zum dehnbaren Begriff. Theoretisch konnte er hingehen, wohin er wollte, praktisch war er in Köln festgesetzt. Der Gipfel war noch nicht vorüber. Das Interesse des BKA wie auch der Amerikaner war überaus groß, den Fall bis ins Detail aufzuklären, und O'Connor wurde als Experte zwangsrekrutiert.
    Wagner empfand Erleichterung darüber, dass er auch ohne seinen geliebten Whisky zurechtkam. Zugleich hatte sie die bemerkenswerte Entdeckung gemacht, dass er ihr als Abstinenzler auf die Dauer dubios und unvollständig erschienen wäre. Sie fragte sich, ob am Ende auch der Alkoholiker O'Connor nur eine Rolle in der Posse war, die er spielte. Im Augenblick war ihnen beiden nicht nach Trinken. Dafür liebten sie sich mit einer Intensität, deren Skala nach oben offen schien, und sie war abwechselnd euphorisiert, glücklich über jede Minute, die sie miteinander verbrachten, und niedergeschlagen, wenn sie an Kuhn dachte. Nicht allein sein Tod stimmte sie traurig. Auch, dass es ihr nach drei Tagen

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