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Lautlos

Lautlos

Titel: Lautlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Gläser vor ihnen standen.
    »Also dann«, sagte Wagner, »herzlich willkommen.«
    O'Connor wandte sich ihr zu und runzelte die Stirn.
    »Kennen wir uns?«
    »Ich heiße Kika Wagner. Ich arbeite für die Presseabteilung Ihres Verlages und …« Sie machte eine Pause und beschloss, sich ab sofort nicht mehr von ihm beeindrucken zu lassen, weder von seinen Blicken noch von sonst irgendwas, » …ich freue mich, freue mich wirklich sehr, Sie kennen zu lernen, Dr. O'Connor. Schön, dass Sie hier sind.«
    O'Connor legte den Kopf zur Seite. Dann streckte er langsam die Hand aus. Wagner ergriff sie. Seine Finger umschlossen die ihren mit angenehm festem Druck.
    »Es ist mir eine Ehre und ein besonderes Vergnügen«, sagte er. Sein irischer Akzent formte die Worte ein wenig weicher, ansonsten war sein Deutsch erstklassig. Das Schlingern in seiner Aussprache entsprach eindeutig der zugeführten Menge geistiger Getränke, die er im Laufe der letzten Stunden weggeputzt haben musste. Wagner überlegte fieberhaft, wie sie die Situation in den Griff bekommen sollte. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass O'Connor schon betrunken eintreffen würde. Alles wäre weit weniger problematisch gewesen, hätte er nicht am selben Abend seinen ersten öffentlichen Auftritt zu absolvieren gehabt.
    Er würde sich an dieser Bar ebenso festtrinken wie in Hamburg, als er seinen Pressetermin versäumt und die Journalisten zwei Stunden hatte warten lassen. Je mehr sie versuchen würden, ihn davon abzubringen, desto schlimmer wäre das Resultat.
    »Sollen wir den Champagner vielleicht lieber ein andermal äh …?«, schlug Kuhn zaghaft vor. »Ich denke, wir sind ein bisschen knapp in der Zeit und …«
    »Sie sind eine Milbe, Franz«, sagte O'Connor sehr bestimmt. »Diese junge Dame wird Champagner mit mir trinken, und Sie werden schweigen.« Er drehte Kuhn kurzerhand den Rücken zu und hob sein Glas. »Was Sie angeht, Sie sind ein sehr, sehr großes Mädchen.«
    Er leerte das Glas in einem Zug.
    Aus Kuhns Mund hätten die Worte sie in Rage versetzt. So, wie O'Connor es sagte, klang es beinahe wie ein Kompliment.
    Sie nahm einen kleinen Schluck und beugte sich zu ihm herab.
    »Eins siebenundachtzig, um genau zu sein.«
    »Huuiiiii«, machte O'Connor und strahlte sie an.
    »Wir sollten wirklich …«, begann Kuhn.
    »Nein.« Wagner brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen und fragte O'Connor: »Wollen Sie noch ein Glas?«
    O'Connor öffnete den Mund. Dann verharrte er und sah nachdenklich drein.
    »Hatten wir nicht irgendwelche … Termine?«, sinnierte er.
    »Heute Abend halten Sie eine kleine Ansprache im Physikalischen Institut. Nicht der Rede wert. Noch jede Menge Zeit. Was ist, wollen wir die Flasche leer machen?«
    Kuhn schüttelte verzweifelt den Kopf und wedelte mit den Händen. Wagner ignorierte ihn. Sie griff nach der Champagnerflasche und machte Anstalten, O'Connor nachzuschenken.
    »Nein, äh …«
    »He, was ist los? Keinen Durst mehr?«
    »Doch, aber …«
    O'Connor wirkte, als habe ihn irgendein höherer Umstand vor unlösbare Probleme gestellt. Unvermittelt sprang er von seinem Hocker, trat in die Mitte des Raumes und klatschte mehrfach in die Hände. Die Anwesenden sahen auf, sofern sie ihn nicht schon seit seinem Eintreffen beobachtet hatten.
    »Alles mal herhören!«
    Die Unterhaltungen verstummten.
    »Was hab ich eigentlich erwartet«, seufzte Kuhn. »Warum sollte es diesmal anders sein.«
    »Los, Zeitungen weglegen«, befahl O'Connor. »Maul halten jeder! Ich hab was Wichtiges zu sagen.«
    In der Lounge wurde es tatsächlich mucksmäuschenstill.
    O'Connor räusperte sich. Dann zeigte er auf Wagner.
    »Diese Frau …«, rief er. »Diese einzigartige Frau …«
    Atemloses Schweigen.
    Er stockte.
    Was immer er noch zu sagen beabsichtigt hatte, schien sich irgendwo in den Weiten seines Geistes verloren zu haben, ein Gedankenteilchen, kollidiert mit einem Antigedankenteilchen, gegenseitiger Exodus in einem grellen Blitz des Vergessens, gefolgt von bleierner Schwere. Sein Kopf sackte herunter auf die Brust. Einen Augenblick stand O'Connor da, als trage er alles Leid der Welt auf seinen Schultern.
    Dann zuckte er die Achseln und schlurfte zur Tür.
    »Okay«, sagte er zu seiner Krawatte. »Fahren wir.«
1998. 05. DEZEMBER. PIEMONT. LA MORRA
    Ricardo stützte das Kinn in die Hände und betrachtete Jana. Sein Blick hatte etwas Entrücktes, als ordne er im Geiste Zahlenkolonnen zu Bilanzen.
    »Wenn Sie das machen«, sagte er,

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