Lautlos
Schienen, das bekommen wir in Deutschland. Ich kenne jemanden, der uns so was zusammenschweißt. Was in unseren Kräften steht, leisten wir selbst. Dennoch ist es eine ganze Menge, was Sie an den Start bringen müssen. Schaffen Sie das?«
Mirko klappte den Hefter zu und nickte.
»Was den YAG betrifft, das ist so gut wie geklärt. Das Trojanische Pferd verfügt über die nötigen Verbindungen.«
»Wo bekommen Sie ihn her?«
»Aus Russland. Wahrscheinlich aus Weißrussland, möglicherweise aus der Ukraine. Es gibt in beiden Ländern entsprechende Forschungsinstitute. Wir haben außerdem Kontakt zu einer hochrangigen Persönlichkeit des Rings, über die ich auch den Kauf der Spedition abwickeln werde. Ich denke, hinsichtlich der Spiegel dürfte es ebenso wenige Probleme geben wie mit dem YAG. Man ist dort sehr kooperativ, wenn es um Geld geht.«
»Russland«, sinnierte Jana. »Der Ring. Ich hab's mir beinahe gedacht.«
Mirko lächelte und schwieg.
Der Ring verfügte über beste Kontakte in die Länder des westlichen Europa, vornehmlich in die Schweiz, nach Österreich und vor allem nach Deutschland. Was genau der Ring eigentlich war und wer ihm angehörte, inwiefern man ihn überhaupt der russischen Mafia zurechnen konnte, ließ sich nicht eindeutig sagen. Er war Teil des Netzes, mit dem die roten Bosse, wie die Karrieristen des neuen Russlands genannt wurden, Europa überzogen. Mittlerweile hatten sie ihre Fäden bis in die Vereinigten Staaten gesponnen. Dennoch gab es Länder, mit denen die russische Halbwelt bevorzugt Geschäfte machte. Hunderte Strohfirmen entstanden allmonatlich in England, Österreich und der Schweiz, um russisches Geld zu waschen. In Deutschland hatte der Urknall der Machtentwicklung russischer Tycoons Anfang der neunziger Jahre stattgefunden. Im Moment, da die Bundesregierung begann, der Roten Armee Geld für den Truppenabzug zu zahlen, kassierten die russischen Bosse fleißig ab. Beim Berliner Landeskriminalamt wusste man mittlerweile, mit welchem Geld die Russenmafia ihren fulminanten Start in Deutschland finanziert hatte. Es waren die sechs Milliarden Mark, die Bonn bis 1994 überwiesen hatte. Alles, was seitdem von den Aktivitäten der russischen Halbwelt in Deutschland ruchbar geworden war, hatte in irgendeiner Weise mit diesem Geld zu tun.
Der Kampf war verloren, bevor er überhaupt richtig begonnen hatte. Die Verknüpfung deutscher und russischer Interessen fand in der berühmten Grauzone statt, die Kriminologen so viel Kopfzerbrechen machte – war das nun noch Mafia oder schon nicht mehr? Milliarden gewaschener Gewinne des organisierten Verbrechens verwischten die Grenzen zwischen Legalität und Illegalität, öffneten Türen zu Zimmern, in denen politische und wirtschaftliche Entscheidungen ersten Ranges getroffen wurden, und schufen damit eine neue wirtschaftliche Realität. Illegales Geld gebar legale Strukturen. Deutschland etwa war regelrecht unterwandert von russischem und italienischem Mafiageld, die Verbindungen unentwirrbar geworden. Es gab Szenarien, was geschehen würde, wenn man dieses Geld der deutschen Wirtschaft von einem Tag auf den anderen entzöge. Sie würde zwar nicht gerade zusammenbrechen – aber auf jeden Fall Teile davon.
Was einerseits katastrophale Konsequenzen für russische und europäische Volkswirtschaften zu entwickeln drohte, kam den Interessen Janas und Mirkos in diesem besonderen Fall mehr als entgegen. Russisches Kapital ermöglichte Transaktionen auf höchster Ebene. Nicht umsonst war die Angst vor dem illegalen Handel mit nuklearem Material so ausgeprägt, weil es geschäftliche Verbindungen gab, die befürchten ließen, dass ganze Atomsprengköpfe an den Grenzen einfach übersehen wurden. Der YAG, der immerhin die Ausmaße eines Kleinlasters hatte, würde mittels gefälschter Papiere problemlos von Russland nach Deutschland gelangen, wenn jemand in Moskau seine Verbindungen spielen ließ. Er war ja nicht mal eine Waffe. Ihn offiziell an ein Institut in Deutschland zu adressieren, das ihn nie bestellt hatte, um ihn auf halbem Wege verschwinden zu lassen, war eine der leichteren Übungen deutsch-russischer Geburtshilfen bei der Verwirklichung dubioser Pläne. Ohnehin gab es – nachdem die Bosse auch die innovative Intelligenz des Landes übernommen hatten – nichts, was man in Russland nicht bestellen konnte. Hätte Mirko davon gesprochen, in irgendeiner abgelegenen Region der Ukraine oder Weißrusslands eine Zeitmaschine oder ein
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