Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lautlose Jagd

Lautlose Jagd

Titel: Lautlose Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dale Brown
Vom Netzwerk:
Bremskraftverstärker der Diesellok ausgefallen. Züge ließen sich nicht leicht bremsen, wenn sie erst einmal in Bewegung waren, deshalb wäre es zu gefährlich gewesen, Einheit 20 in den Bunker zurückschieben zu wollen. Andererseits würde es einige Minuten dauern, bis eine neue Diesellok vorgespannt war. Deshalb stand Einheit 20 jetzt vor dem Bunker und konnte von jedem feindlichen Aufklärer oder Spionagesatelliten in aller Ruhe besichtigt werden.
    Tatsächlich schienen bei fast allen der in den letzten Stunden verlegten Raketeneinheiten irritierende kleine Pannen aufgetreten zu sein, was Kong wirklich beunruhigte. Normalerweise waren die Männer der Vierten Artilleriedivision eine Elite, aber in den letzten Monaten war ihr Leistungsniveau merklich gesunken.
    Natürlich befand sich die Moral der Truppe wegen der schlechten Wirtschaftslage ohnehin auf einem Tiefststand. Obwohl das Militär immer am besten versorgt wurde - weit besser als die Zivilbevölkerung -, litten heutzutage sogar Elitetruppen unter der Versorgungslage. Das bedeutete, dass die Kampfmoral selbst bei hoch ausgebildeten und motivierten Truppen noch weiter sinken würde. Dies war der absolut ungünstigste Zeitpunkt für einen Defekt, wie er an ihrer Lok aufgetreten war.
    »Schwächlinge«, murmelte Kong. Eine Bande unzufriedener Soldaten, die über ihren ausbleibenden Sold meckerten. Von der Volksarmee erhielten sie das Beste, was das Land zu bieten hatte.
    Alle mussten Opfer bringen. Erkannten sie denn nicht, wer für die Versorgungsmängel und ihre Armut verantwortlich war? Die südkoreanischen Kapitalisten saugten den Norden systematisch aus, um ihn leichter und mit geringeren Verlusten angreifen zu können.
    Wie konnten Soldaten der Volksarmee nicht ihren Beitrag leisten wollen, um ihr Vaterland zu retten und sich an denen zu rächen, die an den Leiden und Entbehrungen ihrer Familien schuld waren?
    Endlich tauchte eine weitere Diesellok aus dem mit schweren Stahltoren gesicherten Bunker auf. Da für die defekte Lok kein Abstellgleis zur Verfügung stand, vermutete Kong, diese neue Lok werde einfach zusätzlich vorgespannt werden. Er drückte die Sprechtaste seines Handfunkgeräts. »Taepung, hier Sieben«, sagte er. Taepung - Taifun - war Oberst Chos Rufzeichen. »Ich bitte um Erlaubnis, zu Einheit zwanzig hinüberzugehen und nach der neuen Lok zu fragen. Ich melde mich dann wieder.«
    »Genehmigt«, antwortete Oberst Cho. »Ppalei! Ich erwarte Ihre Meldung in fünf Minuten.«
    »Ne, Taepung«, bestätigte Kong und lief zum Kommandowagen hinüber, um mit dem Batteriechef zu sprechen. Aber als er den Wagen schon fast erreicht hatte, ging er langsamer und blieb dann stehen. Hier stimmte irgendetwas nicht. Der Kommandowagen wurde nicht gesichert. Zu jeder Nodong-Batterie gehörten 30 Mann Wachpersonal, von denen vier bei jedem Halt den Kommandowagen zu sichern hatten. Was zum Teufel ging hier vor?
    Kong hastete zur Einstiegsluke weiter, und als er sie erreichte, fielen drinnen mehrere Schüsse.
    Hauptmann Kong riss sein Handfunkgerät hoch. »Schüsse!«, meldete er. »Schüsse! Im Kommandowagen!«
    In diesem Augenblick wurde der schwere stählerne Lukendeckel aufgestoßen, und mehrere Soldaten und Techniker sprangen aus dem Kommandowagen. »Freiheit! Freiheit!«, rief einer von ihnen jubelnd.
    »Was fällt euch ein, Männer?«, rief Kong empört. »Warum seid ihr nicht auf eurem Posten?«
    »Versuch nicht, uns aufzuhalten, Leuteschinder!«, brüllte einer der Soldaten, während er seine Pistole zog und einen Schuss abgab. Kong fuhr zusammen, als die Kugel seine linke Schulter nur knapp verfehlte, und warf sich auf den schlammigen Boden. Er tastete mit zitternden Fingern nach seiner Pistolentasche und schaffte es schließlich, sie zu öffnen und seine Pistole Typ 64 zu ziehen. Aber die Soldaten waren längst fort, als er die Waffe hob, um das Feuer zu erwidern. Oder hatte er sich absichtlich langsam bewegt, weil er gehofft hatte, die Soldaten würden glauben, er sei verwundet, und sich nicht weiter um ihn kümmern? Er mochte sich nicht vorstellen, er könnte so feige gewesen sein... nein! Er lebte, und nur das zählte jetzt.
    »Achtung! Achtung!«, rief Hauptmann Kong in sein Funkgerät. »Der Kommandowagen von Einheit zwanzig ist überfallen worden! Alle Wachen riegeln das Gelände ab und lassen keinen mehr durch! Taepung bitte sofort zum Kommandowagen von Einheit zwanzig!«
    Dann näherte er sich mit schussbereiter Pistole dem Kommandowagen.

Weitere Kostenlose Bücher