Lautlose Jagd
durchgeführt werden sollten, falls es zur erwarteten - und nach Ansicht vieler unvermeidlichen - Invasion aus dem Norden kam.
Als die Sirenen heulten, rannten alle Alarmbesatzungen zu ihren Jägern und Jagdbombern, ließen die Triebwerke an und blieben auf der Einsatzfrequenz hörbereit. Obwohl auf dem Stützpunkt erhöhte Alarmbereitschaft herrschte, startete keine Maschine. Ein »Alarmstart« hätte binnen weniger Minuten eine unkontrollierbare militärische Eskalation zwischen Nord und Süd auslösen können. Da ihre Triebwerke schon liefen, konnten sämtliche Flugzeuge in weniger als zwei Minuten in der Luft sein.
Starteten alle 15 Sekunden drei Maschinen von der Hauptstartbahn und den beiden Rollwegen, konnten allein über diesem Stützpunkt 24 Flugzeuge in kürzerer Zeit am Himmel sein, als ein schneller Angreifer brauchte, um 40 Kilometer weit zu fliegen.
Die Besatzungen hörten den Funk ab und warteten. War dies die Invasion? Stand der große Showdown zwischen den Kommunisten und dem Süden unmittelbar bevor?
»Unidentifiziertes Flugzeug auf Südkurs, Peilung drei-vier-null von Wonju, sechzig Kilometer, auf diesem Kurs und mit dieser Geschwindigkeit riskieren Sie, die Entmilitarisierte Zone zu durchfliegen«, sagte ein Controller der südkoreanischen Luftverteidigung warnend. »Dies ist die letzte Warnung! Fliegen Sie in gesperrten Luftraum ein, wird auf Sie geschossen. Unidentifiziertes Flugzeug, drehen Sie sofort nach Norden ab, sonst wird auf Sie geschossen.« Gleichzeitig flammten auf der Anzeigetafel vor den startbereiten Maschinen zwei grüne Lichter auf: die Startfreigabe für die beiden ersten F-16K.
Gleich nach dem Start meldete der Pilot der Führungsmaschine sich auf der Wachfrequenz des Controllers, die auch sein Rottenflieger eingestellt hatte. »Leitstelle Saphir, Rotte Tiger durchsteigt dreitausend, kommen.«
»Zwo«, sagte sein Rottenflieger knapp.
»Rotte Tiger, Leitstelle Saphir, höre Sie fünf«, antwortete der Controller. »Wechseln Sie auf Blau sieben.«
»Rotte Tiger wechselt auf Blau sieben.« Nachdem der Rottenflieger den Wechsel mit »Zwo« bestätigt hatte, stellten beide Piloten einen HAVE-QUICK-Kanal ein, der durch häufige zufällige Frequenzwechsel nahezu abhörsicher war. »Saphir, Rotte Tiger durchsteigt viertausend, kommen.«
»Zwo.«
»Rotte Tiger, hier Leitstelle Saphir, höre Sie fünf«, bestätigte der Controller, dessen Stimme jetzt wegen der computergesteuerten Frequenzwechsel leicht verzerrt klang. »Geben Sie Standort von Solar aus an.«
Der Pilot der ersten F-16 stellte sein Navigationssystem auf den Wegpunkt Solar ein; da ihre Standortmeldungen sich jetzt auf einen imaginären Punkt bezogen, konnte niemand ihre Position mithören. »Tiger null-sechs-drei Grad und drei-drei Kilometer von Solar.«
»Verstanden, Tiger. Kurs zwo-neun-fünf, Höhe Basis plus eins-vier.« Die für diesen Tag festgelegte Basishöhe betrug 10000 Fuß, daher begannen die F-16 auf 24000 Fuß zu steigen. Als sie einige Minuten später bis auf weniger als 30 Kilometer an die Entmilitarisierte Zone herangekommen waren, sagte der Controller: »Linear.«
Der erste F-16-Pilot schaltete sein Angriffsradar APG-66 ein, das sekundenschnell ein Ziel direkt vor ihm erfasste. »Rotte Tiger Kontakt, Ziel bei zwo-neun-sieben, Entfernung fünf-eins, tief, Geschwindigkeit sechs-null-null.«
»Tiger, das ist euer Ziel«, bestätigte der Controller.
Das Pulsdopplerradar APG-66 der F-16 konnte mehrere Ziele gleichzeitig verfolgen, aber um ganz sicherzugehen, brach der südkoreanische Pilot den Kontakt ab und ließ sein Radar nochmals den Himmel absuchen. Keine weiteren Ziele. Ein einzelner Eindringling aus dem Norden? Die Nordkoreaner flogen selten allein. Mehrere Eindringlinge in enger Formation? Die Nordkoreaner, die schon tagsüber keine guten Formationsflieger waren, flogen nur selten nachts - und erst recht nicht in Formation.
Aber der südkoreanische Pilot hatte gelernt, sich nie auf solche Annahmen zu verlassen. Es war besser, vorsichtshalber von mehreren Angreifern auszugehen. »Rotte Tiger, taktische Position, Ausführung.«
»Zwo.« Die zweite F-16 verließ ihren Platz rechts neben der Führungsmaschine, vergrößerte den seitlichen Abstand auf 100
Meter und stieg 50 Meter höher. So behielt ihr Pilot den Führenden auch nachts in Sicht und konnte zugleich rasch und beweglich reagieren, falls die taktische Lage sich änderte. Der nordkoreanische Pilot würde nun zwei Ziele auf dem
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