Lautloses Duell
gezahlt. Wenn wir an den Beleg rankommen, kriegen wir vielleicht einen Fingerabdruck.«
»Wie willst du das denn anstellen?«, fragte der dickliche Stephen Miller. »Die Angestellten haben die Zettel gestern Abend wahrscheinlich gleich weggeworfen, nachdem sie die Kasse abgerechnet haben.«
Bishop nickte in Gillettes Richtung. »Ein paar von unseren Leuten sollen genau das tun, was er gesagt hat: im Müll wühlen.« An Shelton gewandt, sagte er: »Sie sollen in den Abfalltonnen der Bar nach der Quittung für einen Martini und ein Light-Bier suchen, Zeitstempel ungefähr neunzehn Uhr dreißig.«
»Das kann ewig dauern«, sagte Miller.
Bishop hatte seine Aufgabe erledigt und verfiel wieder in Schweigen, ohne auf den CCU-Polizisten einzugehen. Shelton ging ans Telefon und befolgte Bishops Anweisung.
Erst jetzt fiel Gillette auf, dass niemand in seiner Nähe stand. Sein Blick wanderte über die sauberen Klamotten der anderen, über frisch gewaschenes Haar und Fingernägel ohne Dreckränder. »Wenn wir noch ein paar Minuten Zeit haben, bevor dieser Computer fertig ist …«, wandte er sich fragend an Anderson. »Haben Sie hier vielleicht irgendwo ’ne Dusche?«
Anderson zupfte sich an dem Ohrläppchen mit dem vernarbten Ohrringloch, dem Wundmal aus einem anderen Leben, und lachte laut auf. »Ich habe schon die ganze Zeit überlegt, wie ich es Ihnen sagen soll.« Dann forderte er Mott auf: »Bringen Sie ihn in den Duschraum für die Angestellten. Aber bleiben Sie bei ihm. Schließlich ist er nach wie vor ein Häftling.«
Der junge Polizist nickte und führte Gillette den Gang hinunter, wobei er pausenlos von den Vorteilen des Linux-Betriebssystems schwärmte, einer Variation des klassischen Unix, das immer mehr Leute an Stelle von Windows benutzten. Er redete voller Enthusiasmus und war gut informiert, machte seine Scherze über ein paar Hacker, die ihre Einheit dingfest gemacht hatte, und hörte Gillettes Kommentaren aufmerksam zu. Trotzdem entfernte sich die Hand des jungen Polizisten nie sehr weit von seiner eindrucksvollen Pistole.
Das Streberkommando könne gut und gerne noch ein halbes Dutzend Vollzeitkräfte gebrauchen, erklärte Mott, aber der Etat ließ das nicht zu. Es gab mehr Fälle, als sie auch nur annähernd bearbeiten konnten, angefangen beim Hacken über Cyber-Stalking bis zur Kinderpornografie und Copyright-Verletzungen von Software, und mit jedem Monat wurde die Arbeitsbelastung schlimmer.
»Warum sind Sie zur CCU gegangen?«, erkundigte sich Gillette.
»Ich dachte, hier gibt es ein bisschen Abwechslung. Ich liebe Computer und habe, glaube ich, auch ein Händchen dafür, aber stundenlang Software durchsieben, um einer Urheberrechtsverletzung auf die Spur zu kommen, ist nicht gerade das, was ich mir unter Abwechslung vorgestellt habe. Lange nicht so aufregend, wie die Skihänge in Vail runterzudüsen. Ich glaube, ich bin ein Geschwindigkeitsjunkie.«
»Was ist mit Linda?«, fragte Gillette. »Ist sie auch ein Geek?«
»Eigentlich nicht. Sie ist eine kluge Frau, aber Computer liegen ihr nicht im Blut. Sie war in einer Mädchengang, unten im Salatland, Sie wissen schon,
Salinas
und so. Dann hat sie Sozialarbeit gemacht und sich entschlossen, zur Polizeiakademie zu gehen. Ihr Partner ist vor ein paar Jahren in Monterey ziemlich übel zusammengeschossen worden. Linda hat Kinder – die Tochter, die gerade in den Wehen liegt, und noch ein Mädchen auf der High School –, und ihr Mann ist nie zu Hause. Arbeitet bei der Einwanderungsbehörde. Sie war der Meinung, es sei an der Zeit, in einen etwas ruhigeren Bereich unserer Branche zu wechseln.«
»Ganz anders als bei Ihnen.«
Mott lachte. »Sieht so aus.«
Während sich Gillette nach dem Duschen abtrocknete, legte ihm Mott einen Satz von seinen Sportklamotten auf eine Bank. T-Shirt, schwarze Trainingshose und eine Windjacke. Mott war ein bisschen kleiner und breiter als Gillette, aber grundsätzlich hatten sie die gleiche Figur.
Der Hacker bedankte sich und schlüpfte in die Sachen. Er war froh, dass er sich endlich eine ganz besondere Dreckschicht vom Körper hatte waschen können: den Gefängnismief.
Auf dem Rückweg kamen sie an einer kleinen Teeküche vorbei, in der eine Kaffeekanne, ein Kühlschrank und ein Tisch mit einem Tablett voller Donuts standen. Gillette blieb stehen und schaute das Gebäck hungrig an. Dann wanderte sein Blick zu den Schränken.
»Wahrscheinlich habt ihr da nirgendwo Pop-Tarts drin, oder?«
»Pop-Tarts? Nein.
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