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Lautloses Duell

Titel: Lautloses Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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dicke Haarsträhne zwischen den Fingern und sagte frei heraus: »Mir ist aufgefallen, wie Sie mich anstarrten, als Sie hörten, dass ich für Horizon arbeite.«
    Wie alle großen kommerziellen Internet Provider – AOL, Compuserve, Prodigy und all die anderen –, erfreute sich auch Horizon On-Line der Verachtung jedes wahren Hackers. Der echte Computerfreak, der Geek, benutzte Telnet-Provider, um direkt von seiner Kiste in die von anderen zu springen, und er durchstreifte das Blaue Nichts mit eigens für seine interstellaren Reisen maßgeschneiderten Web Browsern. Er dachte nicht im Traum daran, simple und lahme Internet Provider wie Horizon zu benutzen, die in erster Linie auf Familientauglichkeit ausgelegt waren.
    Wer bei Horizon On-Line war, galt als HOLahmarsch oder HOLoser. Oder, namensgleich mit Gillettes derzeitiger Adresse, einfach nur als »HO«.
    Nolan war mit Gillette noch nicht fertig: »Nur damit wir uns nicht missverstehen: Ich habe meine Abschlüsse am MIT und in Princeton gemacht, Informatik.«
    »KI?«, fragte Gillette. »In New Jersey?«
    Das Institut für Künstliche Intelligenz in Princeton gehörte zu den besten im ganzen Land. Nolan nickte. »Genau. Und Hacker-Erfahrungen kann ich auch vorweisen.«
    Gillette wunderte sich darüber, dass sie sich nicht der Polizei gegenüber legitimierte, sondern ausgerechnet ihm gegenüber – dem einzigen Straftäter in der Runde. Auch der schneidende Unterton ihrer Stimme entging ihm nicht, die ganze Rede kam ihm auswendig gelernt vor. Er vermutete, der Grund lag darin, dass sie eine Frau war. Die Gleichstellungskommission bei der Vergabe von Arbeitsplätzen verfügte über kein Mittel, gegen das gnadenlose Vorurteil männlicher Hacker gegenüber Frauen vorzugehen, die sich im Blauen Nichts versuchten. Sie wurden nicht nur aus Chatrooms vertrieben und von Schwarzen Brettern verjagt, sondern oft genug hemmungslos beleidigt und sogar bedroht. Weibliche Teenager, die hacken wollen, müssen schlauer und zehn Mal so hart im Nehmen sein wie ihre männlichen Kollegen.
    »Was haben Sie da über Univac gesagt?«, fragte Tony Mott.
    »Das war ein Meilenstein in der Maschinenwelt«, erwiderte Gillette.
    »Der einunddreißigste März 1951«, führte Nolan näher aus. »An dem Tag wurde der erste Univac zum dauerhaften Einsatz an das Statistische Landesamt geliefert.«
    »Was ist ein Univac?«, wollte Bob Shelton wissen.
    »Univac steht für Universal Automatic Computer.«
    »Akronyme sind in der Maschinenwelt ziemlich verbreitet«, sagte Gillette.
    »Am besten erklärt man es damit«, fuhr Nolan fort, »dass Univac einer der ersten Großrechner war, wie wir sie heute kennen. Er füllte einen Raum, so groß wie diesen hier. Heute kann man natürlich wesentlich schnellere Laptops kaufen, die hundertmal mehr leisten.«
    »Dieses Datum«, überlegte Anderson. »Halten Sie es für einen Zufall?«
    Nolan zuckte die Achseln. »Keine Ahnung.«
    »Vielleicht hat sich unser Täter so eine Art Muster ausgedacht«, schlug Mott vor. »Ich meine, ein historisches Datum aus der Computerwelt und ein Mord ohne jedes Motiv mitten im Herzen von Silicon Valley.«
    »Wir behalten das im Auge«, sagte Anderson. »Es gibt zu viele andere Termine … Versuchen wir mal herauszufinden, ob es auch in anderen High-Tech-Gebieten ungelöste Mordfälle gibt. Sagen wir, in den vergangenen zwölf Monaten. Überprüft auch Seattle und Portland, die haben dort ihren Silicon Forest. In Chicago gibt’s die Silicon Prairie. Dann die Route 128 in der Nähe von Boston.«
    »Austin, Texas«, brummte Miller.
    »Gut. Und den Korridor entlang der Dulles Toll Road außerhalb von Washington D.C. Fangt dort an, mal sehen, was ihr herausfindet. Schickt die Anfrage an VICAP.«
    Tony Mott tippte einige Zeilen in die Tastatur, und kurz darauf erhielt er eine Antwort. »Da ist was in Portland«, las er vom Bildschirm ab. »Am fünfzehnten und siebzehnten Februar. Zwei ungeklärte Mordfälle, jeweils gleiche Methode, und ganz ähnlich wie unser Fall. Beide Opfer wurden erstochen, Messerstiche in die Brust. Verdächtigt wird ein Weißer, Ende Zwanzig. Schien die Opfer nicht gekannt zu haben, Raub oder Vergewaltigung waren nicht das Motiv. Bei den Opfern handelte es sich um einen wohlhabenden Manager und eine Berufssportlerin.«
    »Fünfzehnter Februar?«, fragte Gillette nach.
    Nolan warf ihm einen Blick zu. »ENIAC?«
    »Genau«, sagte der Hacker und erklärte den anderen: »ENI-AC war so was Ähnliches wie Univac, nur

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