Lavendel gegen Ameisen
schwanger. Mindestens siebter Monat, dachte Toppe.
«Ja, bin ich. Was gibt es denn?»
«Wir ermitteln in einem Mordfall, in dessen Zusammenhang wir alle Leute überprüfen, die innerhalb des letzten Jahres einen Adimed-Schuh verschrieben bekommen haben.»
«Ach, die Geschichte», antwortete sie. «Davon habe ich in der Zeitung gelesen. Der Richter. Seine Tochter ist eine Schülerin meines Mannes.»
«Ja, ich weiß. Ihr Mann …»
«Dürfte ich wohl Ihren Ausweis sehen», unterbrach sie ihn, lächelte dabei aber entschuldigend.
«Ja, natürlich.» Toppe suchte in seinen Jackentaschen, fand endlich seinen Ausweis und reichte ihn ihr.
Sie warf einen kurzen Blick darauf und nickte. «Sie haben recht, auch mein Mann trägt zurzeit Adimed-Schuhe. Aber wenn Sie sich die Schuhe ansehen wollen, dann müssen Sie schon zur Schule fahren. Er hat sie nämlich an.»
«Das hätte ich mir wohl denken können», meinte Toppe ein bisschen zerknirscht.
«Nun ja, eigentlich schon», antwortete sie nachsichtig lächelnd. «Es ist ja der Sinn dieser Schuhe, dass man sie immer trägt. Sonst nützen sie nämlich nichts.»
Toppe nickte und ging die Stufen hinab. «Dann werde ich zur Schule fahren. Vielen Dank, Frau Hermans.»
«Nichts zu danken. Wenn Sie sich beeilen, kommen Sie gerade rechtzeitig zur großen Pause.»
Zu dumm, die Schule lag in der Oberstadt. Die nächsten beiden Personen auf seiner Schuhliste wohnten in der Spyckstraße und am Opschlag, also in der Unterstadt. Beides waren Männer und wahrscheinlich um diese Zeit gar nicht zu Hause.
Also, erst einmal zur Schule und das Kapitel Hermans abschließen.
Toppe fragte im Sekretariat nach dem Lehrer. Doch, der müsse eigentlich im Lehrerzimmer sein, wenn er einen Moment warten wolle, man würde nachsehen.
Toppe schlenderte in die Pausenhalle. Hier sah alles nach den frühen sechziger Jahren aus, und es roch auch so, nach gebohnertem Linoleum.
Die Aula war viel hübscher, sie musste neueren Datums sein.
Hermans kam über den Flur direkt auf ihn zu. Er blickte ernst, fast ein wenig ungehalten, aber dann schien ihm einzufallen, wen er da vor sich hatte.
«Herr Toppe, nicht wahr? Was kann ich für Sie tun?»
Im Halbdunkel der Aula hatte Toppe sich kaum ein Bild von Hermans machen können. Er war mehr als einen Kopf kleiner als Toppe, dünn und drahtig. Sein Haar lichtete sich an der Stirn und war so kurz geschoren, dass man die Kopfhaut hindurchschimmern sah. Er hatte sehr dunkle, ernste Augen und scharfe Gesichtszüge. Harald Norpoth, dachte Toppe unwillkürlich, Langstreckenläufer.
«Sie wissen ja, dass wir im Mordfall Landmann ermitteln», begann Toppe.
Hermans nickte nur und schaute Toppe offen ins Gesicht.
«Und in diesem Zusammenhang überprüfen wir alle Leute, denen in letzter Zeit ein Adimed-2-Schuh verordnet wurde», erläuterte Toppe.
«Ach, jetzt verstehe ich.» Hermans sah auf seine Füße und zeigte auf seine klobigen weißen Turnschuhe. «Ich trage Adimed-Schuhe, aber das sind keine Adimed 2.»
Toppe blickte erstaunt, sagte aber nichts.
«Ja», begann Hermans wieder. «Im Juli habe ich Adimed-2-Schuhe verschrieben bekommen, von Dr. Brückers, und sie dann ständig getragen, wegen des Außenbandes. Aber vor zwei oder drei Wochen habe ich mir neue gekauft. Diese hier.» Er zeigte wieder auf seine Schuhe. «Wissen Sie, ich laufe jeden Tag mindestens zehn Kilometer, und zwar bei jedem Wetter. Da können Sie sich wohl vorstellen, wie die Schuhe nach kurzer Zeit aussehen, wenn man sie nie wechseln kann. Ich brauchte neue, und die Adimed 2 waren mir einfach zu teuer. Also habe ich mir die Adimed 1 gekauft. Die sind, wie man mir gesagt hat, genauso gut.»
«Ist das so?», fragte Toppe. «Hätten Sie sich denn keine neuen Adimed 2 verschreiben lassen können?»
«Ich glaube kaum, dass meine Krankenkasse das bezahlt hätte.»
«Und was haben Sie mit den anderen Schuhen gemacht?»
«Na, weggeworfen», antwortete Hermans erstaunt, «in den Mülleimer.»
«Schade.» Toppe holte sein Notizbuch aus der Tasche. «Wann genau haben Sie denn die Schuhe weggeworfen und sich neue gekauft?»
«Oh.» Hermans legte zwei Finger an die Schläfe. «Das weiß ich nicht auf den Tag genau. Aber ich glaube, es war so gegen Ende der Ferien … ja, das könnte stimmen.»
Toppe notierte das, er würde später nachschauen, wann die Ferien genau geendet hatten, in den letzten Augusttagen, das wusste er wohl.
«War das am selben Tag?», fragte er.
«Was meinen Sie?»,
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