Lavinia & Tobais 01 - Liebe wider Willen
bedrückt.
Tobias antwortete ihr nicht.
»Ich glaube, ich habe gerade den wichtigsten Klienten, den ich bisher hatte, zurückgewiesen.«
»Das glaube ich auch, ja. Nicht nur das, Sie haben auch ihr Angebot abgelehnt, Sie für Ihre Dienste zu bezahlen.«
»Es hat doch etwas, wenn ein Klient es sich leisten kann, uns in einer hübschen, komfortablen Equipage nach Hause zu schicken.«
»In der Tat.« Tobias rieb sich das Bein.
Die Stille lag schwer über den beiden.
»Nun«, meinte Lavinia schließlich, »es ist ja nicht so, als hätten wir noch andere Möglichkeiten offen. Wir können doch sicher nicht für einen Klienten arbeiten, der uns wertvolle Informationen vorenthält und Spione hinter uns herschickt.«
»Ich verstehe nicht, warum wir das nicht können«, meinte Tobias.
»Wie bitte?« Sie setzte sich gerade. »Sind Sie verrückt? Sie hätten heute Abend verletzt werden können. Ich bin davon überzeugt, dass Herbert die Absicht hatte, Ihnen mit Gewalt das Tagebuch wegzunehmen.«
»Ich habe keinen Zweifel daran, dass sie Herbert angewiesen hat, mir das Tagebuch wegzunehmen, falls ich es gefunden hätte.. Immerhin ist es ihr größter Wunsch, ihre Geheimnisse verborgen zu halten.«
Lavinia dachte darüber nach. »Es ist offensichtlich, dass etwas in diesem Tagebuch steht, was niemand wissen soll, auch wir nicht. Etwas, das wahrscheinlich viel gefährlicher ist als die Einzelheiten einer Affäre, die schon mehr als zwanzig Jahre zurückliegt.«
»Ich habe Sie gewarnt, alle Klienten lügen.«
Sie kuschelte sich wieder unter die Decke und dachte eine Weile über diese Tatsache nach.
»Mir scheint, dass Mrs. Dove nicht die Einzige ist, die heute Abend nicht ganz ehrlich war«, murmelte sie schließlich.
»Wie bitte?«
Sie warf ihm einen bösen Blick zu. »Warum haben Sie mich nicht sofort benachrichtigt, als Sie die Nachricht in Ihrem Club bekommen haben? Ich hätte Sie bei der Suche nach dem Tagebuch heute Abend begleiten sollen. Sie hatten nicht das Recht, allein zu gehen.«
»Es blieb keine Zeit mehr. Sie dürfen sich nicht zurückgesetzt fühlen, Lavinia. Ich war in einer solchen Eile, dass ich nicht einmal mehr Anthony Bescheid gesagt habe.«
»Anthony?«
»Normalerweise hilft er mir bei solchen Sachen. Aber er war heute Abend im Theater, und ich wusste, dass ihn meine Botschaft nicht mehr erreichen würde.«
»Also sind Sie allein gegangen.«
»Meiner Meinung nach verlangte die Situation nach sofortigem Handeln.«
»Unsinn.«
»Ich habe mir schon gedacht, dass Sie das so sehen würden«, meinte Tobias.
»Sie sind allein gegangen, weil Sie es nicht gewöhnt sind, mit einem Partner zusammenzuarbeiten.«
»Verdammt, Lavinia, ich bin allein gegangen, weil ich keine Zeit verschwenden durfte. Ich habe das getan, was ich für das Beste hielt, das ist alles.«
Sie machte sich nicht die Mühe, ihm darauf zu antworten.
Wieder schwiegen die beiden.
Nach einer Weile bemerkte Lavinia, dass Tobias sich noch immer sein Bein massierte.
»Ich nehme an, Sie haben sich Ihr Bein verstaucht, als Sie hinter Mrs. Doves Lakai hergelaufen sind.«
»Ich denke schon.«
»Gibt es etwas, das ich tun kann?«
»Ich habe ganz sicher nicht die Absicht, Ihnen zu erlauben, mich in eine hypnotische Trance zu versetzen, wenn Sie das meinen.«
»Also gut, Sir, wenn Sie darauf bestehen, dermaßen unfreundlich zu sein.«
»Das tue ich. Ich bin sehr erfahren, wenn es darum geht, sich unfreundlich zu benehmen.«
Sie gab auf und versank wieder in Schweigen. Das würde eine lange Fahrt nach Hause werden, dachte sie. Die Kutsche kam nur sehr langsam voran, nicht nur, weil der Regen noch stärker fiel, sondern auch, weil die Straßen um diese Zeit überfüllt waren. Die glanzvollen Bälle und die leuchtenden Soireen der feinen Gesellschaft gingen zu Ende. Menschen kehrten in ihre Stadthäuser und ihre Herrenhäuser zurück.
Betrunkene junge Lebemänner kamen aus den Spielhöllen, den Bordellen und Clubs und kletterten in jede nur verfügbare Kutsche, die sie finden konnten, um nach Hause zu kommen.
Einige Gentlemen verlangten, nach Covent Garden gefahren zu werden. Dort würden sie Prostituierte finden, die für ein paar Münzen zu ihnen in die Kutsche klettern würden, um ihnen ein paar Minuten flüchtiger Freude zu schenken. Die gemieteten Kutschen, die das akzeptierten, würden am Morgen säuerlich riechen.
Lavinia verzog bei diesem Gedanken die Nase. Es war wirklich schön, wenn man einen Klienten hatte, der einen
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