Lavinia & Tobais 01 - Liebe wider Willen
den Wachsarbeiten in seinem oberen Ausstellungsraum fragte, die mir ungewöhnlich erschien. Du und ich, wir beide haben geglaubt, dass er etwas in der Morddrohung wiedererkannte, wenn du dich recht erinnerst. Heute Morgen bin ich aufgewacht und habe darüber nachgedacht, ob der Grund dafür vielleicht der war, dass er einige Skulpturen des gleichen Künstlers in dem verschlossenen Raum ausstellte.« Tobias erstarrte. »Du bist zu Huggett gegangen, um dir diese Skulpturen anzusehen?«
»Jawohl.«
»Aber warum?«
Sie bewegte die Hand, in der sie das Glas hielt, und winkte vage ab. »Das habe ich dir doch gerade erklärt. Ich wollte mir die Ausführung dieser Skulpturen ansehen. Ich habe die Putzfrau bezahlt, damit sie mir ihren Schlüssel überlässt, und ich bin in dieser Verkleidung in den Raum gegangen.«
»Nun? Offensichtlich hast du die Skulpturen gesehen. Glaubst du, dass die Arbeiten, die du gesehen hast, von dem gleichen Künstler gearbeitet wurden, der auch die Morddrohung gemacht hat?«
»Um ganz ehrlich zu sein, ich bin mir nicht sicher.«
»Mit anderen Worten war diese unsinnige Verkleidung eine vollkommene Zeitverschwendung, nicht wahr?« Tobias schüttelte den Kopf. »Ich hätte dir einen Rat geben können, wenn du dir die Mühe gemacht hättest, mich um meine Meinung zu fragen.«
»Ich habe nicht gesagt, dass es vollkommene Zeitverschwendung war.« Über den Rand ihres Glases sah sie ihm in die Augen. »Huggetts Figuren sind lebensgroß. Der Unterschied in der Größe machte es mir schwer, mir sicher zu sein. Aber ich glaube, ich habe einige Ähnlichkeiten entdeckt.«
Tobias sah trotz seines Zornes jetzt interessiert aus. »Wirklich?«
»Genug, um mich zu überzeugen, dass es angebracht wäre, Mrs. Vaughn zu bitten, sich die Figuren anzusehen und uns dann ihre Meinung zu sagen«, meinte Lavinia.
»Ich verstehe.« Tobias ging zum Schreibtisch hinüber. Er setzte sich auf die Kante und massierte abwesend sein linkes Bein. »Eine solche Untersuchung wäre aber nicht einfach durchzuführen. Huggett wird uns unsere Bitte nicht gewähren, selbst wenn er nichts zu verbergen hat. Immerhin würde das bedeuten, dass er eine Dame in die oberen Räume seiner Ausstellung lässt. Sehr ungewöhnlich, selbst wenn sie eine Künstlerin ist.«
Lavinia lehnte den Kopf gegen die Rückenlehne ihres Sessels und dachte an Peg und an ihr zusätzliches Einkommen. »Huggetts Putzfrau ist bereit, uns die Schlüssel zu der Galerie gegen Bezahlung auszuleihen, an dem Tag, an dem Huggett die Behandlung für seinen Rheumatismus macht.«
»Das verstehe ich nicht«, meinte Emeline. »Warum sollte jemand dafür bezahlen, dass er die Schlüssel benutzen darf, um sich in die Ausstellung zu schleichen, wenn er doch ganz einfach eine Eintrittskarte kaufen kann?«
»Sie gibt die Schlüssel nicht an Besucher, die die Ausstellungsstücke ansehen wollen«, erklärte Lavinia deutlich. »Sie gibt sie an Frauen, die ihren Lebensunterhalt damit verdienen, ihre Dienste den Gentlemen anzubieten, die sich eine Eintrittskarte für die oberen Ausstellungsräume kaufen.«
Emelines Augenbrauen schössen nach oben. »Du meinst an Prostituierte?«
Lavinia räusperte sich und vermied es sorgfältig, Tobias anzusehen. »Wie Peg erzählt, befinden sich die Männer, die sich die oberen Räume ansehen, oft in der Stimmung, sich von Frauen der Halbwelt unterhalten zu lassen. Das hat etwas mit der Erregung zu tun, die diese Ausstellungsstücke bewirken, glaube ich.«
Tobias klammerte die Hand um den Rand des Schreibtisches und hob den Blick zur Decke, doch er sagte nichts.
»Ich verstehe.« Emeline schürzte die Lippen und dachte einen Augenblick lang nach. »Du hattest sicher Glück, dass keine Männer in der Ausstellung waren, als du in deiner Verkleidung dort warst, nicht wahr? Sie hätten dich für eine Prostituierte halten können.«
»Mmmm«, murmelte Lavinia unverbindlich.
Tobias betrachtete sie ganz genau. »Lavinia?« »Mmm?«
»Ich nehme an, es waren keine Männer in dem Raum, als du dort hineingegangen bist.«
»Ganz richtig«, stimmte sie ihm sofort zu. »Es war niemand in dem Raum, als ich hineingegangen bin.«
»Ich nehme auch an, dass keiner von Huggetts männlichen Kunden den Raum betreten hat, während du dort warst. Irre ich mich vielleicht?«
Lavinia stieß heftig den Atem aus. »Ich denke, es wäre besser, wenn du uns allein lassen würdest, Emeline.«
»Warum denn?«, wollte Emeline wissen.
»Weil der Rest der
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