Lavinia & Tobais 03 - Skandal um Mitternacht
Hand von seinem Kiefer. »Sie glauben, dass dieser Mann wieder töten wird?«
»Es ist nur eine Frage der Zeit. Wenn Sie sich entschließen könnten, mir zu helfen, diesen Schurken heute Nacht unter Beobachtung zu halten, stehe ich tief in Ihrer Schuld.«
»Ich denke, dass ich es mir leisten könnte, eine Zeit lang diesen Verdächtigen für Sie im Auge zu behalten«, sagte Dominic vorsichtig.
»Danke«, sagte Tobias. »Bis jetzt wurden alle Morde nachts begangen. Wir können also annehmen, dass der Täter es vorzieht, im Schutz der Dunkelheit aktiv zu werden. Daher möchte ich, dass ihr beide für den Rest der Nacht seine Wohnung beobachtet. Er darf euch nicht sehen. Folgt ihm, wenn er sein Quartier verlässt, stellt euch ihm aber nicht entgegen, wenn es nicht aussieht, als würde er eine Gewalttat begehen. Ist das klar?«
»Wer ist diese Person?«, fragte Anthony, dessen Blut erneut in Wallung geriet, nicht vor Wut, sondern vor Jagdeifer.
»Ich fürchtete, dass diese Frage kommen würde«, sagte Tobias.
»Wir sollen einen verdammten Friseur beobachten?« Dominic drückte sich tief in den Schatten der dunklen Gasse und spähte verdrossen zur Tür von Mr Piere' Wohnung. »Nicht zu fassen. Was glaubst du, wie er seine Opfer tötet? Erstickt er sie in Perücken?«
»Es war dein eigener Entschluss, Tobias in dieser Sache zu helfen«, knurrte Anthony von der anderen Seite der Gasse her. »Niemand hat dich dazu gezwungen.«
»March sagte, ein Menschenleben hinge davon ab. Doch muss ich sagen, dass ich mir einen Friseur als kaltblütigen Meuchelmörder nur sehr schwer vorstellen kann.«
»Vielleicht war er deshalb bis jetzt erfolgreich«, gab Anthony trocken zu bedenken. »Niemand schöpft gegen ihn Verdacht.«
»Hm.« Dominic schien diese Möglichkeit tatsächlich zu überzeugen. »So hatte ich es nicht gesehen.«
»Ich glaube allerdings, Tobias hegt einige Zweifel bezüglich dieser Theorie«, sagte Anthony. »Er hat aber gelernt, Mrs Lakes Intuition nicht gering zu schätzen.«
Das Gespräch stockte, während sie die Tür von Mr Piere' Wohnung beobachteten. Mondschein und einige matt leuchtende Gaslaternen erhellten die schmale, ins nächtliche Dunkel gehüllte Straße. Hin und wieder rumpelte eine Droschke oder der Wagen eines Nachtarbeiters vorüber, sonst aber herrschte Stille.
Anthonys Augenpartie war empfindlich geschwollen, und seine Rippen schmerzten an mehreren Stellen. Er ahnte, dass er am Morgen blaue Flecken haben würde, und tröstete sich mit dem Wissen, dass Dominic ähnliche Souvenirs an ihre Prügelei einkassiert haben musste.
»Mrs Lake ist eine außerordentlich willensstarke Dame«, sagte Dominic nach einer Weile.
Anthony hätte ob dieser Be merkung fast aufgelacht. Er zü gelte sich und zuckte zusammen, als er spürte, dass der Riss an seiner Lippe sich öffnete und blutete. »Tobias macht des Öfteren ähnliche Bemerkungen. Aber meist nicht in so dezentem Wortlaut.«
Er hob das mit Alkohol getränkte Tuch, das Mrs Lake ihm mitgegeben hatte, und betupfte damit den Mundwinkel. Dominic hatte ein ebensolches befeuchtetes Tuch mitbekommen. Mrs Lake hatte darauf bestanden, eines für jeden bei dem geplagten Portier des Klubs zu bestellen, ehe sie zuließ, dass sie sich hierher fahren ließen, um ihre Posten einzunehmen.
Nach einem Moment hörte er, wie Dominic das Päckchen mit Fleischpastetchen auswickelte, das Mrs Lake ebenfalls vom Portier hatte bringen lassen.
»Sie mag ja von ungestümem Wesen sein«, sagte Dominic, »doch freut es mich, dass sie an die Pasteten dachte.« Er machte eine Pause. »Möchtest du eine?«
Anthony merkte, dass er halb verhungert war. »Ja.«
Dominic reichte ihm eine und bediente sich selbst. Minutenlang aßen sie, ohne zu sprechen.
Dominic streifte sorgfältig die Krümel von. den Händen. »Wie war er?«
Anthony wusste sofort, wer gemeint war. »Ich kann mich an ihn nicht viel erinnern. Ich war knapp acht, als er getötet wurde. Mutter starb später, aber noch im selben Jahr. Anne und ich wurden für ein paar Monate bei Verwandten untergebracht.«
»Du musst etwas von ihm in Erinnerung behalten haben.«
Dominic hörte sich wieder wütend an. »Du hattest ihn über sieben Jahre.«
»Vater war nicht viel da.« Anthony zuckte die Schultern. »Wir lebten auf dem Land. Die meiste Zeit verbrachte er in London. Er zog Spielsalons dem Familienleben vor.«
Er hielt inne. »Anne hatte eine Miniatur von ihm, die sie mir überließ.«
»Beschreibe
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