Lavinia & Tobais 03 - Skandal um Mitternacht
manipuliert. Wollte man aber eine Runde Whist halbwegs vernünftig spielen, war es wenig förderlich, wenn man sich betrank. Und doch taten die meisten Spieler genau dies.
Mit Ausnahme Dominic Hoods.
Dominic spielte Whist wie die anderen, mit einer Flasche Rotwein in Reichweite. Doch Anthony fiel auf, dass er sein halb volles Glas nicht anfasste. Auf dem Tisch lag ein kleiner Stapel Papiere. Gutschriften derjenigen, die an ihn verloren hatten.
Anthony studierte ihn eingehend und suchte nach einem Beweis ihres gemeinsamen Blutes. Tatsächlich gab es Ähnlichkeiten zwischen ihnen. Ihr Vater hatte ihnen in der Nasenform und der Schulterbreite seinen Stempel aufgedrückt. Und in der Augenfarbe, dachte er. Wieso war ihm bis jetzt nicht aufgefallen, dass Do m inics goldbraune Augen den Farbton hatten, den er allmorgendlich selbst im Rasierspiegel sah?
An Dominics Tisch war die Runde Whist zu Ende. Trotz seiner Vorsicht beim Trinken musste er diesmal einen Verlust auf seinem Stückchen Papier notieren. Nüchternheit erhöht zwar die Chancen auf einen Gewinn am Kartentisch, dachte Anthony, sie garantiert aber keineswegs den Ausgang des Spiels. Kein Aufwand an Logik und Scharfsinn vermochte ein schlechtes Blatt wettzumachen.
Unbefangen lächelnd und mit einem gelangweilten Nicken, das seinen Partnern galt, verließ Dominic den Tisch und wollte zur Tür. Als er Anthony erblickte, ließ er ein leichtes Zögern erkennen. Dann straffte sich sein Kinn und er ging weiter.
»Mich wundert, Sie heute hier zu sehen«, sagte er im Vorübergehen zu Anthony. »Ich hatte den Eindruck, Sie würden die Spieltische meiden.« Er lächelte mit leichter Verachtung. »Was sicher einer gewissen Angst vor dem Verlust entspringt.«
Die Kränkung ging tief, doch zwang Anthony sich zu einem dünnen, kalten Lächeln. »Ich bin enthaltsam, weil ich dem Tod nach einem dummen Streit über ein Kartenblatt entgehen möchte.« Er machte mit Absicht eine kleine Pause. »Anders als unser Vater.«
In Dominics Augen flackerte es kurz verräterisch auf, doch es verging genauso rasch. »Sie sind also endlich dahinter gekommen? Lange genug haben Sie ja gebraucht. Vielleicht sollten Sie den Beruf wechseln. Von einem Privatermittler erwartet man einen schärferen Verstand, meinen Sie nicht auch?«
»Ich glaube, dass ich bei meinem Leisten bleiben werde. Anders als Ihnen steht es mir nicht frei, mich den ganzen Tag über mit wissenschaftlichen Experimenten und abends am Kartentisch zu amüsieren. Diese Art von angenehmem Müßiggang ist nur jenen vergönnt, die so glücklich waren, Vermögen und Einkommen zu erben.«
Dominic nickte. »Ich nehme zurück, was ich über Ihre Beobachtungsgabe sagte, Sinclair. Sie haben ganz Recht. Zwar kannte ich meinen Vater nicht, verfuge aber tatsächlich über ein Erbe. Was bedeutet, dass ich einer jungen Dame wie Miss Emeline sehr viel mehr zu bieten habe als Sie.«
Damit machte er auf dem Absatz kehrt und schritt ohne auf eine Antwort zu warten davon.
Wut erfasste Anthony. »Verdammt«, knirschte er. Er folgte Dominic durch das Kaffeezimmer hinaus in die Eingangshalle. Der Portier beeilte sich, ihnen ihre Hüte zu überreichen und die Tür zu öffnen, als er ihre finsteren Mienen sah.
»Halten Sie sich von Emeline fern«, stieß Anthony wutentbrannt am oberen Ende der Treppe hervor.
Dominic blieb stehen und drehte sich um. Im harten Schein der Gaslaternen wirkte sein Gesicht wie eine Maske kaum gezügelten Zorns. »Und warum sollte ich mir das Vergnügen ihrer Gesellschaft nicht gönnen, Bruder?«
»Sie lieben sie nicht.« Anthony stieg langsam die Stufen hinunter, den Hut krampfhaft in der Faust. »Sie wollen sie benutzen, um an mir. Rache zu üben. Geben Sie es zu, Hood.«
»Ich habe nicht die Absicht, mein Interesse an Miss Emeline mit Ihnen zu diskutieren.«
»Verdammt, Mann, das hat mit Emeline nichts zu tun. Ich bin es, dessen Vernichtung Sie anstreben. Wollen Sie sich hinter Weiberröcken verstecken, um Rache zu üben?«
»Verflucht, für diese Schmähung könnte ich Sie fordern!« »Bitte sehr«, sagte Anthony. »Aber bringen Sie doch wenigstens den Mut auf zuzugeben, warum Sie mich fordern. Ich frage Sie abermals, Sir, warum hassen Sie mich? Weil Ihre Mutter sich von unserem Vater verführen ließ? Die Schuld daran können Sie nicht mir geben. Auch nicht Ihrer Mutter. Der einzig Schuldige ist Edward Sinclair. Und der ist seit vierzehn Jahren tot und begraben.«
»Fahren Sie zur Hölle, Sinclair.« Dominic
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