LaVyrle Spencer
Deine Eltern sind
wirklich großartig. Laß sie nicht im Stich, hm?«
»Sie sind nicht damit einverstanden,
daß ich mit Jill zusammenlebe.«
»Gib ihnen eine Chance«, sagte
Catherine sanft. »Wie können sie damit einverstanden sein, wenn du sie an
deinem Leben nicht teilhaben läßt?« Dann lächelte sie ihn plötzlich strahlend
an. »Ach, vergiß es. Schließlich geht es mich nichts an. Sag auf Wiedersehen zu
deinem Daddy, Melissa.« Sie trat zurück und winkte ihm mit Melissas Hand zu.
Clay mußte sich eingestehen, daß
diese veränderte Catherine großen Eindruck auf ihn gemacht hatte.
Sechs Wochen nach Semesterbeginn lud ein
Geschichtsprofessor namens Frank Barrett Catherine zu einer Show im Orpheum ein. Nach der Vorstellung brachte Frank sie nach Hause und erwartete eine
Belohnung für die Einladung. Er war ein gutaussehender, dunkelhaariger Mann,
und Catherine nahm es als eine Art Therapie, als sie sich von ihm umarmen und
küssen ließ. Doch sein Bart, der ihr zuvor ganz gut gefallen hatte, störte sie
beim Küssen, und es war ihr unangenehm, seine Zunge zu fühlen. Er preßte sie
mit seinem ganzen Körper gegen die Wand und fing sofort an, sie zu betatschen.
Seine ganze Art war ihr plötzlich zuwider, und sie stieß ihn von sich.
Als er sich
entschuldigte, antwortete sie lächelnd: »Oh, Sie brauchen sich nicht zu
entschuldigen. Es war wundervoll.« Er mißdeutete ihre Worte und bedrängte sie
wieder. »Nein, Frank. Damit meinte ich, nein zu sagen ist wundervoll.«
Der arme, verwirrte Frank Barrett
verließ konsterniert das Haus und hielt Catherine wohl für ziemlich
verschroben.
Ende November wurde Herb Anderson
aufgegriffen und in Minnesota vor Gericht gestellt. Als Catherine ihn im Gerichtssaal
sah, hätte sie ihn beinahe nicht wiedererkannt. Er war abgemagert, hatte
eingefallene Wangen, und seine Hände zitterten. Das Leben auf der Flucht war
ihm offensichtlich nicht bekommen. Aber sein Gesicht trug noch immer denselben
verbitterten, zynischen Ausdruck, der besagte, daß die Welt Herb Anderson etwas
schuldig geblieben war.
Zu Catherines Überraschung waren
Clay und seine Eltern ebenfalls anwesend. Die Verhandlung dauerte nicht lange.
Herb Anderson wurde aufgrund der Zeugenaussagen von Ada, Catherine, Herbs Schwester
und Frank, seinem Schwager, wegen vorsätzlicher schwerer Körperverletzung zu
zwei Jahren Gefängnis verurteilt.
Catherine nahm den Arm ihrer Mutter
und führte sie aus dem Gerichtssaal. Ihr Blick begegnete dem Clays, und ihr
Herz machte einen Sprung, als sie merkte, daß er an der Tür auf sie wartete.
Angela und Claiborne nahmen Ada in ihre Mitte. Clay umfaßte Catherines
Ellbogen. So verließen sie gemeinsam den Gerichtssaal.
»Danke, Clay«, sagte sie lächelnd.
»Wir haben heute wirklich deine Unterstützung gebraucht.«
Er drückte ihren Ellbogen. Seine
Nähe erregte sie auf verwirrende Weise, und sie senkte den Blick.
Wieder spürte Clay die Veränderung
in Catherine. Sie strahlte eine Selbstsicherheit und
gleichzeitig eine Sanftmut aus, die er sehr anziehend fand. Er bemerkte, daß
sie eine andere Frisur trug, die sie weicher und weiblicher aussehen ließ.
Im Korridor wartete Angela auf sie.
»Ach, Catherine, wie ich mich freue, dich zu sehen«, sagte sie, sichtlich
gerührt.
»Ich habe Sie auch sehr vermißt«,
brachte Catherine über die Lippen, und dann lagen sich die beiden Frauen in den
Armen. Clay mußte daran denken, wie Catherine sich dagegen gewehrt hatte,
Zuneigung für seine Eltern zu empfinden. Ihr Kampf schien jedoch vergeblich
gewesen zu sein, denn als nächstes warf sich Catherine in Claibornes Arme.
Claiborne drückte sie so fest an
sich, daß sie keuchend nach Luft schnappte. Doch dann lachte sie. Catherine
fing Clays Blick auf, der sie mit einem abwesenden Ausdruck in den Augen ansah.
Dann schien allen plötzlich wieder
einzufallen, warum sie überhaupt hier waren, und Ada wurde in die Unterhaltung
miteinbezogen. Sie sprachen kurz über den Prozeß, bis Angela schließlich
vorschlug: »Warum gehen wir nicht in ein Restaurant, wo wir uns noch eine Weile
unterhalten können. Du mußt mir alles über Melissa erzählen, Catherine.«
»Wie wär's mit dem Mullion?« sagte
Claiborne. »Es ist mein Lieblingsrestaurant und liegt nicht weit von hier.«
Ada strich verlegen über ihren
Mantel und sagte schüchtern: »Ich weiß nicht recht. Ich bin mit Margaret
gekommen.« Mrs. Sullivan stand wartend neben Ella und Frank.
»Wir können Sie nach Hause
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