LaVyrle Spencer
schlechte Beraterin.«
»Wieviel Zeit bleibt mir für eine
Entscheidung?« fragte Catherine kaum hörbar.
»Catherine, wir stellen hier
niemandem ein Ultimatum, was paradox klingt, da doch jede junge Frau nur eine
begrenzte Zeit bei uns verbringt. Eine Entscheidung sollte erst nach der Geburt
des Kindes getroffen werden, wenn Sie Ihr inneres Gleichwicht wiedergefunden
haben.«
Catherine überdachte die Worte, dann
sprudelte es aus ihr heraus: »Würde ich es denn meinem Kind nie verzeihen
können, daß ich nicht zu Ende studiert habe? Ich weiß, daß alles, was Sie
gesagt haben, stimmt. Aber ein Kind braucht Liebe, und nur seine leibliche Mutter
kann es wirklich lieben. Selbst wenn es Geldprobleme gibt, darf man sein Kind
nicht weggeben.«
»Catherine.« Mrs. Tollefson beugte
sich vor und sprach mit besorgter Eindringlichkeit. »Sie sprechen immer von > weggeben < , als ob Ihnen das Kind gehöre und Sie es von sich stießen.
Doch eine Adoption könnte für das Kind auch einen besseren Start ins Leben
bedeuten – ein Leben in Fürsorge und materieller Sicherheit.«
Catherine schien durch Tolly
hindurchzuschauen. Schließlich blinzelte sie und fragte: »Hat es schon jemand
geschafft? Mit einem Baby, meine ich?«
»Ein gleichzeitiges Studium, wollen
Sie sagen? Nein, ein solcher Fall ist mir nicht bekannt. Aber das heißt nicht,
daß Sie nicht die erste sein könnten.«
»Ich könnte ...« Sie dachte an Clay
Forresters Angebot, sie finanziell zu unterstützen. »Nein, das geht nicht.« Sie
seufzte. Dann sagte sie nach langem Schweigen. »Ich fühle es noch nicht. Es ist noch zu klein. Aber
wenn ich schon jetzt einen solchen Beschützerinstinkt entwickle, wie soll das
erst werden, wenn es sich bewegt?«
Darauf
hatte Mrs. Tollefson keine Antwort.
Wieder
herrschte Schweigen. Schließlich fragte Catherine: »Sollte ich einer Adoption
zustimmen, dürfte ich es dann vorhersehen?«
»Auf jeden Fall, Catherine. Mütter,
die ihre Kinder nicht sehen, leiden später unter einem lebenslänglichen Schuldkomplex.«
Sie betrachtete die junge Frau prüfend und stellte dann die unumgängliche
Frage: »Catherine, Sie haben bisher keine Angaben über den Vater gemacht, aber
ich muß Sie fragen, ob er nicht auch bei der Lösung dieses Problems eine Rolle
spielen könnte.«
Catherine
stand auf und antwortete eisig: »Auf keinen Fall!« Hätte Catherine nicht so
heftig reagiert, hätte ihr Mrs. Tollefson vielleicht geglaubt.
Im Sekretariat der Universität verweigerte man
Clay die Herausgabe von Catherines Adresse, deshalb brauchte er drei Tage, bis
er sie wieder entdeckte. Dann folgte er ihr in einiger Entfernung und sah, wie
sie eine alte Villa betrat. Verwundert starrte Clay das Haus an, doch da trat
eine schwangere junge Frau aus der Tür und goß den Farn. Ihm kam ein Gedanke.
Er notierte die Hausnummer und ging zur Universität zurück, weil er ein paar
Anrufe erledigen wollte.
Inzwischen lebte Catherine anderthalb Wochen
im Horizons. Sie hatte sich gut eingewöhnt und wurde von ihren Mitbewohnerinnen
akzeptiert. Da die meisten viel jünger als sie waren, brachten sie Catherine,
die ja auch studierte, einen gewissen Respekt entgegen und blickten zu ihr auf.
Und da sie außerdem eine Nähmaschine besaß, wurde ihr Zimmer bald zu einer Art
Versammlungsraum. Schon bald kannte sie die Lebensgeschichten der anderen.
Little Bit war dreizehn und wußte nicht, wer der Vater ihres Kindes war. Die
häßliche Vicky war sechzehn und sprach nicht über den Vater ihres Kindes. Die siebzehnjährige Marie
redete nett von ihrem Joe. Sie wollte ihn heiraten, sobald er die High-School
abgeschlossen hatte. Andere Mädchen blieben
verschlossen; sie nährten den Jungen gegenüber, die sie
geschwängert hatten, Rachegefühle. Aber die meisten Mädchen schienen den
Aufenthalt im Horizons zu genießen. Vor allem, wenn sie
gemeinsam nähten, wie jetzt Nachthemden für
Little Bit, die bald entbinden würde.
Und sie schwatzten.
Irgend
jemand ging dann immer in die Küche, um Obst oder Getränke zu
holen. Diesmal war es Marie. Als sie die Halle durchquerte,
läutete das Telefon.
»Telefon!
Für Anderson!«
Als
Catherine den Hörer nahm, stand Marie da, an die Wand gelehnt,
und lächelte neugierig.
»Hallo,
Bobbi«, sagte sie und warf Marie einen Blick zu.
»Falsch«,
ertönte eine tiefe Stimme.
Catherine
wurde blaß. »Sie brauchen mir nichts zu sagen. Sie sind mir
gefolgt.« Marie ging in die Küche. Sie hatte alles gehört, was
sie hören
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