LaVyrle Spencer
heute abend geredet wird«, sagte Marie grinsend. »Komm, Kleopatra.
Dein Nachen hat angelegt.«
Catherine stand oben auf der Treppe
und sagte sich, daß sie weder Kleopatra noch Aschenputtel sei. Und doch war sie
von einer gewissen Erwartung erfüllt; ihre Knie zitterten, und eine feine Röte
überzog ihr Gesicht.
Plötzlich wurde es unten still.
Irgend jemand hatte die glückliche Idee, die Stereoanlage anzustellen. Dann
läutete es schon.
Als sie seine Stimme hörte, schloß
sie die Augen und wappnete sich.
»Ist
Catherine Anderson da?«
Catherine wünschte, sie wäre eine
Schnecke und könnte sich in ihrem Haus verkriechen. Dann hörte sie Vickys
Stimme. »Einen Augenblick. Ich sehe mal nach.«
»Catherine?«
rief Vicky die Treppe hoch.
»Nun geh
schon«, sagte Marie und gab ihr einen Stups. Wie in Trance ging Catherine die
Stufen hinunter. Verdammt noch mal, was tue ich eigentlich, dachte sie. Warum
habe ich mich so aufgedonnert?
Auch Clay
hatte sich in Schale geworfen. Er sah aus, als würde er für eine exklusive
Whiskymarke Werbung machen. »Hallo«, sagte sie so beiläufig wie möglich. Doch
er dachte: Himmel, das darf doch nicht wahr sein!
»Hallo«, entgegnete er und
versuchte, dieses Wort so kalt wie möglich klingen zu lassen.
Sie sieht aus, als sei sie einer
Anzeige im New Yorker entstiegen, dachte er.
Er schluckte. Sie sah ihm tapfer ins
Gesicht. Schließlich sagte er: »Haben Sie keinen Mantel?«
»Ich habe
ihn oben vergessen.«
Marie, die
alles gehört hatte, brachte den Mantel sofort. Und streckte ohne Scheu Clay die
Hand hin und sagte: »Hallo, ich bin Marie. Bringen Sie sie nicht zu spät
zurück, okay?«
»Hallo, ich bin Clay. Nein, ich passe schon auf.« Er lachte und
schüttelte Marie die Hand.
Gütiger Himmel! dachte Marie. Er
sieht fantastisch aus. Und dieses Lächeln, einfach umwerfend!
Dann gab sie Clay den Mantel, der
ihn – ganz Kavalier – Catherine über die Schultern legte.
»Viel
Spaß«, sagte Marie.
»Gute
Nacht«, wünschte Catherine allen.
Und wie im Kindergarten antworteten
die anderen im Chor: »Gute Nacht.«
Catherine wäre am liebsten im Boden
versunken. Sie wollte die Tür öffnen, doch Clay war schneller. Eine
Demonstration formvollendeter Höflichkeit für die Mädchen.
Im Wagen
herrschte ungemütliches Schweigen, bis Clay den Motor startete und das Brummen
die Stille unterbrach. »Wohin möchten Sie gern fahren?«
Catherine hatte vor sich
hingestarrt. Jetzt sah sie ihn an. »Ich weiß nicht. Irgendwohin. Ich dachte,
wir würden nur herumfahren und reden, wie das letztemal.«
Sie merkte, daß er sie prüfend
musterte: ihr Haar, das Makeup, die Pumps, das elegante Kleid. Am liebsten
wäre sie gestorben. Spazierenfahren, sie hörte ihn das förmlich denken.
»Trinken
Sie etwas?«
Sie sah ihn kurz an und mußte an
letzten Sommer denken und den vielen Wein, den sie an jenem Abend getrunken
hatten. »Manchmal, aber meistens lasse ich es.«
Er dachte
an ihren Vater und wußte warum.
»Ich kenne ein ruhiges Lokal, das zu
dieser frühen Stunde noch nicht zu voll sein dürfte. Okay?«
»Ja,
einverstanden.«
Während er fuhr, wurde das Schweigen
bedrückend, deshalb tastete er nach einer Kassette und steckte sie in den
Recorder. Die Musik gefiel ihr nicht. Sie war laut und disharmonisch. Sie
stellte den Recorder leiser.
»Mögen Sie
keine Diskomusik?«
»Nein.«
»Dann
tanzen Sie auch nicht danach?«
»Nein. Wenn ich tanzen könnte, würde
ich Ballett tanzen, aber ich hatte nie Unterricht. Die Leute sagen, ich hätte
eine gute Ballettänzerin abgegeben.« Sie merkte, daß sie schwatzte, um ihre
Nervosität zu kaschieren.
Er merkte es ebenfalls und
entgegnete einfach: »Damit hatten die Leute sicher recht.«
Wieder herrschte Schweigen, dann
fragte er: »Sind die Mädchen in dem Haus alle schwanger?«
»Ja.«
»Aber sie
sind noch so jung.«
»Ich bin
die Älteste.«
Sie spürte sein Erstaunen, und
plötzlich sprudelte es aus ihr heraus. »Hören Sie, die Mädchen glauben mir
nicht, daß dies kein Rendezvous ist. Sie wollen, daß es eins ist.
Deshalb haben sie mich so herausgeputzt. Beim Abendessen ...« Und sie erzählte
ihm die ganze Geschichte. »Ich konnte ihnen nicht begreiflich machen, daß sie
sich irrten«, schloß Catherine. »Es war schrecklich und wundervoll zugleich.«
Deshalb also, dachte Clay. »Machen
Sie sich deswegen keine Sorgen, okay? Ich kann das verstehen.«
»Nein, das können Sie nicht. Die
Mädchen betrachten mich
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