LaVyrle Spencer
Es ist gut, daß sie weint, dachte er, das
hätte sie schon vor Wochen tun sollen. Er sah, wie sie ihre geballten Fäuste im
Nacken vergrub. Sanft berührte er ihren Arm. »Komm, Cat. Es war nur ein
alberner Streit. Alles ist wieder gut.« Er strich ihr eine Haarlocke aus der Stirn und
beugte sich nieder, um sie anzusehen. Aber sie wich wie in panischer Angst vor
ihm zurück.
»Cat, es tut mir Ieid. Hab keine
Angst, bitte ... Niemand wird dir weh tun, Cat. Liebling, es tut mir leid ...«
Ein Schluchzen preßte ihm die Kehle zu.
»Darf ich dich zu Bett bringen?« Sie schien in die
Wirklichkeit zurückzukehren, hob den Kopf und warf ihm einen argwöhnischen
Blick zu. Mit unendlicher Sanftheit versprach er: »Ich werde dich nicht berühren. Ich will dich nur ins Bett
bringen. Komm jetzt.« Sie hatte nicht geweint. Langsam richtete sie sich auf,
warf ihr Haar zurück und starrte ihn nur weiterhin argwöhnisch an. Ihr Gesicht
war völlig ausdruckslos.
»Das kann ich alleine.« Ihre Stimme
klang zu beherrscht. »Ich brauche deine Hilfe nicht.«
Steif wie eine Marionette ging sie
aus dem Zimmer und Iieß ihn dort auf Knien und mit wehem Herzen zurück.
Danach verbrachte Catherine ihre
Abende in dem bisher ungenutzten Zimmer. Sie nähte entweder Umstandskleider oder erledigte Schreibarbeiten auf
einem Tisch, den sie dort aufgestellt hatte. Wie ein Einsiedlerkrebs verkroch
sie sich in ihrem Schneckenhaus.
Nachdem sie mehrere Abende an der
Schreibmaschine verbracht hatte, kam Clay zu ihr ins Zimmer und sagte: »Du
schreibst viel in letzter Zeit. Brauchst du das alles für den Unterricht?«
Sie drehte sich nicht einmal um.
»Ich tippe Manuskripte ab.«
»Wenn du Geld brauchst, warum sagst du es mir
nicht?« fragte er ungehalten.
»Ich möchte meine
Schreibmaschinenkenntnisse verbessern.«
»Aber du hast genug mit dem Studium
und dem Haushalt hier zu tun. Warum halst du dir noch mehr Arbeit auf?«
Sie warf ihm einen Blick über die
Schulter zu und sagte: »Ich dachte, wir hätten vereinbart, uns nicht in das
Privatleben des anderen einzumischen.«
Er preßte die Lippen zu einer
schmalen, harten Linie zusammen, und sie arbeitete weiter.
Als sie am folgenden Abend wieder an
der Schreibmaschine saß, hörte sie die Haustür zuknallen. Ihre Finger blieben
reglos auf den Tasten liegen, während sie angestrengt lauschte. Schließlich
stand sie auf, suchte ihn im Wohnzimmer und in der Küche – er war fort. Mit
einem Seufzer kehrte sie in ihr Zimmer zurück.
Aber sie
fühlte die Leere und Einsamkeit im Haus.
Er kam gegen zehn Uhr zurück,
erzählte Catherine nicht, wo er gewesen war, und sie stellte keine Fragen.
Danach ging er regelmäßig aus, weil er ihre Gleichgültigkeit und die Einsamkeit
im Wohnzimmer nicht mehr ertragen konnte, während oben die Nähmaschine surrte
oder die Schreibmaschine klapperte.
Eines
Abends kam er früher als gewöhnlich nach Hause, trat in ihr Zimmer und legte
ein Scheckbuch auf den Tisch. »Was ist das?« fragte sie.
Sein Gesicht lag im Schatten. »Ich
hatte keine Schecks mehr und ließ neue drucken.«
Sie starrte auf die schwarze
Plastikhülle, öffnete sie und sah ihren Namen neben dem seinen auf dem Scheck.
»Wir hatten eine Vereinbarung«,
sagte Clay. »Ich komme für deinen Lebensunterhalt auf.«
Die beiden Namen auf dem Scheck
erinnerten Catherine aus irgendeinem Grund an ihre Hochzeitseinladungen. Sie
blickte zu ihm auf. Sein Gesicht war ausdruckslos.
»Aber nicht für immer«, sagte sie.
»Im nächsten Sommer werde ich Geld brauchen und Referenzen von zufriedenen
Kunden. Deswegen nehme ich diese Jobs an.«
Er steckte eine Hand in die
Hosentasche und sagte mit einem frostigen Unterton in der Stimme: »Und ich
möchte, daß du die Abende wieder im Wohnzimmer verbringst.«
»Ich muß arbeiten, Clay«, entgegnete
sie ablehnend. Sie fing wieder zu tippen an. Clay ging verärgert aus dem
Zimmer.
Nachdem er sie verlassen hatte,
stützte sie beide Ellbogen auf die Schreibmaschine und bedeckte ihr Gesicht mit
den Händen. Sein Verhalten verwirrte sie,
doch am meisten hatte sie Angst davor, ihren Gefühlen für ihn nachzugeben. Sie
dachte an den nächsten Sommer, an die unvermeidbare Trennung und tippte
entschlossen weiter.
In dem Zimmer häuften sich bald ihre
Sachen. Schreibmaschinenpapier und Manuskripte lagen neben Schnittmustern und
Stoffresten auf dem Boden. In einer Ecke bewahrte sie ihre Lehrbücher,
Studienhefte und eine Einkaufstasche auf. Die Weihnachtsferien
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