LaVyrle Spencer
das Tagebuch noch einmal hervorholte.
Er blätterte zurück zur Eintragung
vom vierten Juli.
»Heute war ein Tag der Entdeckungen.
Zum ersten Mal wollte die Familie
gemeinsam zum Picknick am Lake Independence fahren. Doch wie gewöhnlich betrank
sich Daddy sinnlos und ruinierte alles. Mom und ich hatten den Picknickkorb
schon gepackt, als sie ihre Meinung änderte und Onkel Frank anrief, um ihm zu
sagen, daß wir nicht kommen würden. Eins führte zum anderen, und Daddy
beschimpfte Mom, bis ich dazwischentrat. Dann ließ er seine Wut an mir aus,
schleuderte mir wie gewöhnlich die übelsten Schimpfwörter ins Gesicht, und ich
floh in mein Zimmer. Dort grübelte ich über die Ungerechtigkeit des Lebens
nach. Am späten Nachmittag rief Bobbi an und erzählte mir, daß sie und Stu zum
Powderhorn fahren wollten, um das Feuerwerk zu sehen. Sie fragte mich, ob ich
nicht Lust hätte, sie gemeinsam mit einem Freund Stus zu begleiten. Wäre der
Tag nicht so trübsinnig verlaufen, hätte ich vielleicht nicht zugestimmt. Aber
ich fühlte mich miserabel, also fuhr ich mit, und jetzt weiß ich nicht, ob es
richtig war.
Sein Name ist Clay Forrester, und
als ich ihn sah, habe ich mich wohl wie eine Närrin benommen und ihn einfach
angestarrt. Was für ein Gesicht! Was für Haare! Was für ein Mann! Er hat graue
Augen und wirkte zuerst etwas mürrisch, aber mit der Zeit wurde er fröhlicher.
Er hat die Angewohnheit, eine Braue leicht spöttisch zu heben, und am Kinn hat
er ein Grübchen. Sein Haar hat die Farbe von Herbstblättern – es ist nicht rot,
nicht gelb – eher goldrot wie Ahornblätter. Als Stu uns miteinander
bekanntmachte, stand Clay nur da, hatte die Daumen in seine Jeanstaschen gehakt
und sagte lächelnd > Hallo < . Mein Herz machte einen Sprung, und ich fragte
mich, ob er mir meine Aufregung ansah.
Was danach passierte, ist einfach
verrückt. Ich kann es selbst nicht glauben. Mit einer großen Flasche Wein
schlenderten wir um das Powderhorn herum und warteten darauf, daß es dunkel wurde. Bobbi und Stu gingen
Hand in Hand vor uns, und als Clays Arm meine Schulter berührte, überlief mich
ein prickelnder Schauder. Als das Feuerwerk begann, waren wir beinahe so high
wie die Lichter am Himmel.
Bobbi und Stu holten eine Decke aus
dem Auto und verschwanden in der Dunkelheit. Ich sehe noch Clay vor mir, wie
er mit der Weinflasche in der Hand vor dem Auto stand und mich fragte, ob ich
im Wagen sitzen und das Feuerwerk betrachten wolle oder ob er die andere Decke
nehmen solle. Und ich antwortete doch tatsächlich: > Laß uns die andere Decke
nehmen. <
Wir saßen unter einem riesigen Baum.
Clay zog mit den Zähnen den Korken aus der Weinflasche und spuckte ihn in die
Luft. Wir kicherten albern, und ich dachte, wieviel angenehmer es doch ist,
selbst betrunken zu werden, als anderen dabei zuzusehen.
Clay lehnte sich zurück, stützte
sich auf einen Ellbogen, legte eine Hand in meinen Nacken und küßte mich. > Feuerwerk < , flüsterte er mir dann ins Ohr und zog mich in seine Arme,
Willenlos ließ ich es geschehen, erinnerte mich an die Schimpfworte, die Daddy
mir an diesem Morgen an den Kopf geworfen hatte, und dachte mir, vielleicht
will ich ihm beweisen, daß er recht hat.
Clay ließ sich Zeit. Ich hatte schon
vor ihm Jungen geküßt, aber seine Küsse waren anders. Bei ihm geschah alles
völlig zwanglos, seine Berührungen waren kein unbeholfenes, plumpes Drängen,
das mich immer abgestoßen hatte. Seine Küsse waren wie ein Fragen, dem ich
nicht widerstehen konnte. Ich erinnere mich an die Wärme seiner Lippen, den
Weingeschmack unserer beiden Münder. Als seine Zunge meinen Mund erforschte,
fühlte ich Wogen der Wärme und Leichtigkeit durch meinen Körper strömen. Dann
ließ er sich auf die Decke zurücksinken und legte den Arm über seine Augen.
Er sagte etwas wie: > Puh, wie du
küssen kannst. < Und ich antwortete wohl : > Und du erst. < Jedenfalls war
ich zu der Zeit schon ganz wirr im Kopf. Mein Herz klopfte zum Zerspringen,
und ich sehnte mich mit jeder Faser meines Körpers nach seiner Berührung.
Ich sagte: > Ich glaube, ich
brauche noch einen Schluck Wein < , worauf er antwortete: > Mir ist er schon
zu Kopf gestiegen < , und wir lachten beide ausgelassen darüber und tranken
Wein. Dann stellte er die Flasche ins Gras und zog mich auf sich. Jetzt waren
seine Küsse leidenschaftlicher, und unsere Körper drückten ihr Begehren aus. Er
rollte mich auf den Rücken, und während ich in seinen Armen lag,
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