LaVyrle Spencer
auf die Uhr geschaut hatte. Dann kamen sie
durch zwei gegenüberliegende Türen zurück, damit niemand Verdacht schöpfte.
Aber Clays Krawatte saß schief, und sie sah, daß er sich das Haar gekämmt
hatte.
Der Januar war trübe, brachte Schnee und Kälte und wenig
Erfreuliches, um die Menschen aufzuheitern. Clay ging wieder abends aus,
obwohl er nie über Nacht fortblieb. Er und Catherine beschränkten sich auf den
höflichen Umgangston zweier Menschen, die zufällig im selben Haus wohnen. Wenn
sie gleichzeitig zu Hause waren, aßen sie selten gemeinsam und vermieden es
sogar, sich im selben Zimmer aufzuhalten. Da Herb noch im Arbeitshaus war,
besuchte Catherine ihre Mutter öfter, und Clay verlangte keine Erklärung, wenn
sie später als er nach Hause kam. Am Abend vor der Ballettaufführung erinnerte
sie ihn daran, aber er hob nicht einmal den Kopf, als er sagte, sie solle Bobbi
oder ihre Mutter mitnehmen, weil er keine Zeit habe. Catherine ging mit Bobbi
ins Theater, aber das Ballett hatte seinen Reiz verloren.
Clay verbrachte diesen Abend zu
Hause. Gelegentlich wanderten seine Gedanken zu Catherine, und er erinnerte
sich an ihre
Freude, als er ihr die Eintrittskarten geschenkt hatte.
Aber die meiste Zeit, wenn er allein
war, versuchte er, nicht an sie zu denken. Während des vergangenen Monats hatte
es oft Augenblicke gegeben, in denen er
auf das leiseste Anzeichen des Entgegenkommens ihrerseits
hin bereitwillig auf die Pose der Gleichgültigkeit und Ablehnung verzichtet
hätte, hinter der er sich versteckte. Aber
er hatte zu oft unter ihrer Zurückweisung gelitten, um noch
einmal einen Annäherungsversuch zu wagen. Jeder Mann konnte Ablehnung nur bis zu einem gewissen Punkt
ertragen, ehe er auf Distanz ging oder – noch besser – dorthin ging, wo er mit
einer positiven Resonanz auf seine Annäherungsversuche rechnen konnte.
Als Catherine nach Hause kam, war
Clay auf der Couch über einem Buch eingedöst. Er gähnte, setzte sich auf und
fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Seit
langem hatten sie kein freundliches Wort mehr miteinander gewechselt, und er
dachte, vielleicht ...
»Wie war
das Ballett?« erkundigte er sich.
Sie betrachtete sein zerzaustes
Haar, fragte sich, warum er sich die Mühe gab, den Anschein zu erwecken, den
ganzen Abend zu Hause gewesen zu sein, wenn
sie doch nicht den geringsten Zweifel daran hatte, mit wem er die Stunden
verbracht hatte. Mit ausdrucksloser Stimme antwortete sie: »Es war eine schöne
Aufführung.«
Clay zog sich noch weiter hinter
seinen Schutzpanzer zurück.
Der Februar mit seinen grauen Tagen deprimierte
sogar die fröhlichsten Gemüter. Catherine beschloß, bis zum Semesterende Mitte
März die Universität zu besuchen, aber mit jedem Tag, den
sie unförmiger und lustloser wurde, fiel es ihr schwerer, ihren Aufgaben und
Pflichten nachzukommen. In dem Stadthaus im Golden Valley sprachen Mann und
Frau kein Wort mehr miteinander.
25
Herb Anderson wurde an einem eiskalten,
windigen Tag aus dem Hennepin-County-Arbeitshaus entlassen. Mit hochgeschlagenem
Mantelkragen und in leichten Straßenschuhen stapfte er fluchend durch den
geforenen Schneematsch und fuhr per Anhalter nach Minneapolis und dann mit dem
Bus in sein Wohnviertel.
Verdammt, ein Drink ist jetzt das
Richtige, dachte er. Monatelang habe ich auf dem trockenen gesessen. Aber der
gute alte Herb gibt sich nicht geschlagen. Niemand kann den freien Willen eines
Mannes brechen. Ich kann jederzeit mit dem Trinken aufhören, aber wer gibt
diesen Hurensöhnen das Recht, mich dazu zu zwingen? Denen werd' ich's zeigen,
schimpfte er lautlos vor sich hin.
In Haley's Bar waren alle
seine alten Saufkumpane versammelt.
»Schaut mal, wer da ist! Wir haben
einen Stuhl für dich warm gehalten, Herb.«
Bereitwillig machten ihm die Kumpel
Platz und schlugen ihm lachend auf den Rücken.
»Der erste Drink geht auf mich. He,
Georgie, bring Herb ein Glas. Er muß ja völlig ausgetrocknet sein.«
Hah, dachte Herb, genau das braucht
ein Mann. Freunde, die seine Sprache sprechen.
Mit einem zufriedenen Seufzer
stützte er die Ellbogen auf den Tresen, sog gierig die
verräucherte Luft ein und lauschte voll Sentimentalität den Country-Songs über
verratene Liebe und gebrochene Herzen, die Salz in seine Wunden streuten. Herb
leerte sein Glas, ließ es wieder vollgießen und genoß es, Mittelpunkt
zu sein.
Und der Alkohol begann zu wirken,
verdoppelte Herb Andersons Wut über die Ungerechtigkeit, die ihm widerfahren
war.
Ada
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