LaVyrle Spencer
Wahrheit
hören, Lady! Seit Wochen zeigst du mir die kalte Schulter, also fang jetzt
nicht an, mir Komplimente über mein gutes Aussehen zu machen. Ich habe schon
gut ausgesehen, als du mich geheiratet hast. Weißt du, was du bist?«
Sie hatte
Clay noch nie so wütend gesehen.
»Sie, Mrs. Forrester sind eine ...«
Aber selbst im Zorn konnte er es nicht aussprechen.
»Was bin
ich?« schrie sie. »Sag es!«
Doch schon hatte er sich wieder
unter Kontrolle und wandte sich ab.
»Meine Mutter hat mich gelehrt,
Frauen mit Respekt zu behandeln, also werde ich es umschreiben: Du bist eine
Frau, die alles verspricht, aber nichts hält.«
»Wie kannst
du es wagen, du Bastard!«
Er warf ihr einen unverschämten
Blick zu. »Sieh doch nur, was passiert, wenn ich dich ein paar Tage ignoriere.
Du schmeichelst mir mit Komplimenten, damit ich wieder hinter dem Köder
herschwimme, wie? Weißt du eigentlich, wie oft du mir gerade so weit
entgegenkommst, daß ich das Interesse nicht verliere? Du hast mich beschuldigt,
daß ich deine Aufmerksamkeit nur brauche, um mein Ego aufzuplustern. Aber ich
glaube, daß dasselbe für dich zutrifft.«
»Das ist nicht wahr! Ich habe dir
nie etwas vorgemacht!«
»Catherine, sei wenigstens ehrlich. Es hat in unserer
Hochzeitsnacht angefangen. Ich habe offen gesagt, daß ich mit dir schlafen
möchte. Aber was tust du? Du weichst aus, du fliehst vor mir und läßt mich nur
in deine Nähe, wenn es dir paßt. Dein Problem ist, daß du vergessen willst, daß
du eine Frau bist, doch das geht nicht. Es gefällt dir, begehrt zu werden. Du
hast aber Angst davor, deinen Widerstand aufzugeben und dich lieben zu lassen.
Denn dann wärst du ja das, was dein Vater immer von dir behauptet hat. Dir ist
wohl nicht bewußt, daß deine Haltung ebenso krankhaft ist wie die deines
Alten!«
»Du
Bastard!«
»Mach nur weiter, beschimpf mich.
Dann brauchst du dir selbst nicht ins Gesicht zu sehen.«
»Als du mich batest, dich zu
heiraten, hast du gesagt: > Kein Sex! < «
»Du hast es erreicht. Ich werde dich
nicht länger belästigen. Schlaf weiter in deinem schönen großen Bett allein.
Aber hören wir auf, uns tagsüber eine Komödie vorzuspielen, okay? Ich erwarte
von dir keine Zuneigung, und du verschonst mich mit deinen niedlichen
Komplimenten, die du nicht ehrlich meinst. Wir wollen uns bis Juli möglichst
aus dem Weg gehen, so wie es vereinbart war.«
Was hätte sie darum gegeben, an diesem Abend
nicht in den Club gehen zu müssen! Die Situation wurde noch unerträglicher,
als kurz nach ihnen Jill Magnusson mit Begleiter und Familie eintrafen.
Clay spielte die Rolle des
fürsorglichen Ehemannes perfekt. Er brachte ihr Getränke und leistete ihr
Gesellschaft, wenn die anderen Damen tanzten, aber Catherine sah ihn unzählige
Male mit Jill auf der Tanzfläche. Zwei Minuten vor Mitternacht holte Clay
seine Frau zum Tanz, und als er sie zum Beginn des neuen Jahres küßte,
streiften seine Lippen nur flüchtig ihren Mund. Außerdem hatte er sie geschickt
in die Nähe von Jill und deren Begleiter manövriert, so daß es ganz natürlich
wirkte, als sie die ersten Paare waren, die die Partner tauschten. Catherine
fand sich in den Armen eines stämmigen, schwarzhaarigen Mannes wieder, der
sorgfältig darauf achtete, die schwangere Frau nicht zu fest an sich zu
drücken. Und als der Mann sie küßte, beobachtete sie, wie Jill und Clay
bedeutungsvolle Blicke austauschten, ehe sie sich auf eine schmerzlich
vertraute Weise umarmten. Clays Hand streichelte Jills nackten Rücken, glitt
über ihre Schulter und verschwand unter ihrem Haar im Nacken. Catherine sah,
daß Clays Hüften provozierend gegen Jills Leib gepreßt waren. Unfähig, den
Blick abzuwenden, sah Catherine, wie sich Jills rotlackierte Nägel in Clays Haaren
vergruben, während ihre geöffneten Lippen in einem leidenschaftlichen Kuß verschmolzen.
Glücklicherweise kam in diesem
Augenblick Stu, der merkte, wie Catherine mit den Tränen kämpfte. Er flüsterte
ihr zu: »Denk dir nichts dabei. Schon als Kinder haben wir einander geküßt,
ohne zu wissen, was es bedeutet.«
Dann trennte Stu Clay und Jill und
holte sich einen Kuß von ihr. Aber Catherine bemerkte, daß dieser Kuß nur eine
freundschaftliche Geste war und daß sie ihm nicht mit den Fingern durchs Haar
fuhr.
Kurz darauf waren Jill und Clay auf
mysteriöse Weise verschwunden. Niemand außer Catherine schien es zu bemerken, die während der zwanzig Minuten,
die sie fort waren, wohl zwanzigmal
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