Lawinenexpreß
registriert war. Sie gingen wie eben vor, aber das Ergebnis sah anders aus.
Heinrich Baum hatte soeben seinen überlangen Funkspruch nach Amsterdam beendet und war gerade dabei, sein Sendegerät zu schließen, als die Tür aufgerissen wurde. Er griff nach seiner Pistole, die neben dem Sendegerät lag, und drehte sich noch um, als Trabers Mann ihn erschoß. Er fiel zu Boden und zog im Fallen den Zettel mit dem verschlüsselten Amsterdamer Funkspruch mit. Den Baseler Funkspruch hatte er bereits vernichtet. Traber bückte sich und hob das Papier auf.
»Ein Jammer, daß wir ihn nicht mehr vernehmen können«, bemerkte er. »Und der Himmel weiß, wie lange unsere Kryptographen brauchen, das Zeug zu entschlüsseln – falls ihnen das überhaupt gelingt. Es ist vermutlich ein sowjetischer Einmalcode. Es sei denn, das Codebuch befindet sich hier im Raum…«
»Tut mir sehr leid, General«, entschuldigte sich der Mann, der Baum erschossen hatte, »aber er hat nach seiner Waffe gegriffen…«
»Sie haben richtig gehandelt. Und ich kann nicht sagen, daß es mir leid tut, daß ein dreckiger Schweizer Verräter dieses Ende gefunden hat.«
Eine kurze Durchsuchung des Zimmers förderte kein Codebuch zutage, aber im Badezimmer schnupperte Traber vernehmlich. »Hier riecht’s verbrannt. Die vorhergehenden Funksprüche verbrannt und dann ins Klo gespült, natürlich.« Sie entdeckten, daß Zimmer 316 – das Zimmer Rudi Bühlers – gleichfalls leer war, und anschließend fuhr Traber mit dem Fahrstuhl in die Empfangshalle hinunter. Er wandte sich in entschiedenem Ton an den Mann am Empfang.
»Golchack und Bühler sind verschwunden. Falls sie durch den Haupteingang hinausgegangen sind, müssen Sie sie doch gesehen haben? Meine Männer durchsuchen das Hotel, aber ich bin nicht sehr optimistisch.«
Der Mann setzte ein zweifelndes Gesicht auf. »Es kann sein, daß sie gegangen sind, als ein Kollege mich für ein paar Minuten vertrat, als ich auf der Toilette war. Das war vor weniger als einer Viertelstunde…«
Heinz Golchack hatte das Hotel tatsächlich vor weniger als fünfzehn Minuten verlassen. Er hatte dem Stellvertreter am Empfang gesagt, er habe Migräne, und die kalte Nachtluft werde vielleicht guttun. Während dieser kurzen Plauderei war Rudi Bühler unbemerkt hinausgeschlüpft. Nach dem Verlassen des Hotels war Golchack die wenigen Meter zu der Rolltreppe gelaufen, die zu der unterirdischen Ladenstraße führt.
Zu dieser Stunde war die unterirdische Passage menschenleer. Er hatte rasch seine Brille abgenommen und sie in die Tasche gesteckt. Aus einer anderen Tasche hatte er eine Mütze des Typs geholt, den Chauffeure tragen, und sie tief in die Stirn gezogen. Er hatte die Ladenpassage durchquert und war auf eine andere Rolltreppe gestiegen, die ihn auf die andere Seite des Bahnhofplatzes gebracht hatte, und hatte ein Taxi herbeigewinkt.
»Zum Pelikan-Platz bitte«, hatte er dem Fahrer in makellosem Deutsch gesagt.
Nach dem Aussteigen am Pelikan-Platz hatte er gewartet, bis das Taxi verschwunden war, und war erst dann über die Straße gegangen, um anschließend in raschem Tempo durch eine Reihe von Seitenstraßen zu gehen.
Obwohl schweres Schneetreiben herrschte, fühlte Golchack sich sehr wohl. Er liebte das alte Zürich mit seinen Türmen, alten Gebäuden und gewundenen Straßen – ebenso wie er aus den gleichen Gründen Wien liebte. Er hätte sogar den Rest seines Lebens glücklich in der schweizerischen Stadt verbringen können. Außerdem waren die Züricher Mädchen großartig mit ihrem aufrechten Gang und ihren schlanken Figuren. Derlei gab es in Sowjetrußland nicht. Schließlich kam er in der Lindengasse 451 an, vor einer Villa nahe dem Ende einer Sackgasse.
Er zog einen Schlüssel aus der Tasche, öffnete die Tür und trat ein. Am oberen Ende einer Treppe in der durch zwei Stockwerke gehenden Halle kam ihm eine hochgewachsene, dunkelhaarige Frau Mitte Dreißig entgegen. Sie hielt eine Automatic in der Hand, die sie wieder in ihre Handtasche gleiten ließ, als sie den Besucher erkannte.
»Laß den hier verschwinden«, befahl er.
Er hatte ihr den auf Heinz Golchack ausgestellten Paß ausgehändigt. Sie führte ihn in einen großen Raum mit schweren Vorhängen voll dunkler Möbel und Antiquitäten. Er nahm seine schneebedeckte Mütze und den Mantel ab, die beide erkennen ließen, daß er draußen herumgelaufen war, und übergab der Frau auch diese Dinge. Dann setzte er sich und zog seine
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