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Lawinenexpreß

Lawinenexpreß

Titel: Lawinenexpreß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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durchnäßten Schuhe aus. »Und laß auch diese Sachen verschwinden. Wann wird der Expreß ankommen?«
    »Als ich das letztemal die Auskunft anrief – vor zehn Minuten – sagten sie, 22 Uhr 33. Voraussichtliche Weiterfahrt 23 Uhr.«
    »Dann müssen wir uns beeilen – es gibt noch eine Menge zu tun. Ich werde mit dem Atlantik-Expreß mitfahren…«
    »Der Sicherheitskordon am Hauptbahnhof wird sehr massiv sein, Herr Vogler.«
    Herr Vogler… Bei der Reise von Wien nach Zürich hatte Oberst Igor Scharpinsky die Identität einer realen Person angenommen – die des armen Antiquars Heinz Golchack, dessen verbrannte Überreste jetzt in einer schneebedeckten Grube irgendwo in einem abgelegenen Teil des Wienerwalds lagen. Jetzt nahm Scharpinsky vorübergehend die Identität Eduard Voglers an, eines Schweizer Antiquitätenhändlers, der nicht existierte – aber dessen angebliche Existenz von Ilse Murset, einer erfahrenen Antiquitätenhändlerin, mit großer Sorgfalt aufgebaut worden war.
    In der stillen Lindengasse kümmerte sich niemand um seine Nachbarn, aber dennoch wußte man dort, daß Eduard Vogler einen großen Teil seiner Zeit mit Auslandsreisen verbrachte, daß er etwas exzentrisch war, eine Nachteule, ein Mann, der meist spät in seine Villa zurückkehrte und bis in den frühen Morgen arbeitete. Nur sehr selten hatte man einen Mann, dessen Gestalt der Scharpinskys einigermaßen ähnlich sah, zu später Stunde in die Villa eilen sehen.
    Ilse brachte die nassen Kleidungsstücke weg und kam mit einem Hausmantel und Slipper wieder, die Scharpinsky anzog. Dann setzte er sich auf einen Stuhl hinter einem Schreibtisch, auf dem ganze Bündel von Rechnungen lagen. Es war höchst unwahrscheinlich, daß die Polizei sich für diese Adresse interessieren würde, aber wenn sie doch hier erschien, würde sie Eduard Vogler bei seinen Geschäften finden. »Sind alle da?« fragte Scharpinsky. »Gut. Bring sie herunter, dann können wir uns überlegen, wie wir den Sicherheitskordon General Trabers durchbrechen…«
    Es war kein Zufall gewesen, daß Scharpinsky das Hotel Schweizerhof kurz vor dem Eintreffen der Schweizer Abwehrbeamten verlassen hatte. Bei seinen seltenen Einsätzen im Ausland blieb er nie länger als fünf Stunden an einem Ort. Während er darauf wartete, daß Ilse seine Untergebenen herunterbrachte, dachte er düster an den Funkspruch, den ihm Baum ausgehändigt hatte, bevor er selbst das Hotel verlassen hatte.
    Allen wichtigen Agenten wird jetzt dringend nahegelegt, Westeuropa zu verlassen …
    Dieser Funkspruch war für Scharpinsky ein schrecklicher Schlag, denn er ließ erkennen, daß Moskau die Möglichkeit erwog, er könne mit seiner Mission scheitern, General Marenkow zu töten. Und die Tatsache, daß der Funkspruch keine Unterschrift trug, sagte ihm, daß Leonid Sedow ihn persönlich diktiert hatte. Sie hatten in Moskau im Rundfunk gehört, daß die Lawine den Atlantik-Expreß nicht zerstört hatte.
     
     
    Um 20 Uhr 40 hatte Scharpinsky in Zürich die Nachricht gehört, daß der Atlantik-Expreß unbeschädigt geblieben war. Zu dieser Zeit war es in Moskau 22 Uhr 40. Der Erste Sekretär der KPdSU, Leonid Sedow, saß zu dieser Zeit mit den beiden anderen Politbüromitgliedern zusammen, die die Marenkow-Krise meistern sollten – Marschall Pratschko und Anatolij Sarubin. Der normalerweise so aggressive und selbstbewußte Pratschko war seltsam schweigsam, als sie dasaßen und die Nachricht verdauten. Es war Sarubin, der kleine, dunkelhaarige Handelsminister mit den verfeinerten Manieren, der die Schuld behutsam auf Pratschko lenkte.
    »Ihr Schützling scheint sich in dieser wichtigen Angelegenheit nicht durch Brillanz hervorzutun«, meinte er liebenswürdig. »Bisher hat er nichts weiter vollbracht, als unseren gesamten Untergrundapparat in der Schweiz auffliegen zu lassen…«
    »Er mußte schließlich etwas wagen«, meinte Pratschko selbstbewußt und zupfte an den dicken Schweineborsten, die ihm aus der Nase wuchsen.
    »Er hätte auch Erfolg haben müssen«, bemerkte Sarubin. »Wie lange sollen wir noch zulassen, daß er so weitermacht – etwa bis sie Marenkow ausfliegen und er unsere sämtlichen Agenten preisgibt – Männer, die wir in jahrelanger, mühsamer Arbeit ausgebildet und eingeschleust haben? Ich denke dabei besonders an die Bundesrepublik Deutschland«, fügte er hinzu.
    »Scharpinsky wird schon etwas einfallen«, polterte Pratschko.
    »Aber wenn nicht?« warf Leonid Sedow ein und rieb sich

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