Lawinenexpreß
und putzte seine randlose Brille.
»Was zum Teufel machen wir jetzt?« fragte Bühler aggressiv, als er das Schweigen nicht länger ertragen konnte.
»Zunächst einmal vernichten wir diese Karte da…«
Er wartete, während Baum im Badezimmer die Karte verbrannte, und wartete dann weiter, als Baum eilig zurückkam, um einen Funkspruch entgegenzunehmen, der soeben über Professor Mohners Sender auf dem Zürichberg aus Moskau einging. Er las den Funkspruch schweigend und ging dann ins Badezimmer, um ihn selbst zu verbrennen.
»Funken Sie die kurze Nachricht nach Basel«, wies er Baum an, »und dann die lange an die Geiger-Gruppe in Amsterdam…« Der Baseler Funkspruch ging an Juri Gusew, den Killer des GRU, der jetzt dort eingetroffen war, nachdem er sich auf Golchacks vorhergehenden Funkspruch hin von Mülhausen im Elsaß in Marsch gesetzt hatte.
Heinrich Baum, der Schweizer Zahnarzt aus Basel, machte ein zweifelndes Gesicht. »Dieser Amsterdamer Funkspruch ist sehr lang«, fühlte er vor. »Können wir ihn nicht kürzer machen?«
Golchack starrte ihn mit seinen blassen Augen an, aber der Schweizer starrte trotzig zurück. Sie waren jetzt seit fünf Stunden ohne Nahrung in dem Zimmer eingeschlossen und hatten nur etwas Kaffee aus der Thermoskanne trinken können, die Bühler mitgebracht hatte. Golchack, der Abstinenzler war – ›Alkohol verdunkelt das Gehirn und trübt das Urteilsvermögen‹ –, aß selbst sehr wenig und vermochte keinen Grund zu sehen, warum seine Untergebenen sich nicht seinen Gewohnheiten anpassen sollten. Im Raum herrschte aber ein Gefühl von klaustrophober Spannung, und Baum hätte eine Menge dafür gegeben, wenn er selbst in dem Schneesturm, der die Stadt einhüllte, einen kurzen Spaziergang auf der Bahnhofstraße hätte machen können.
»Wenn es möglich gewesen wäre, ihn kürzer zu machen, hätte ich das schon selbst getan«, entgegnete Golchack kalt. »Ziehen Sie meine Anweisungen in Zweifel?« fragte er sanft.
»Selbstverständlich nicht…«
»Warum sitzen Sie dann noch nicht am Sendegerät?« fragte Golchack in dem beherrschten Tonfall, den Baum so entnervend fand. Der Schweizer setzte sich vor sein Sendegerät und begann, den kürzeren Funkspruch nach Basel zu übermitteln.
Der Funker in dem Peilwagen, der in der Seitenstraße unter dem im ersten Stock gelegenen Restaurant des Hotels Schweizerhof parkte, griff nach dem Funktelefon, das ihn direkt mit General Traber verband. Traber selbst nahm den Hörer ab.
»Wir haben Funkkontakt, General.« Er gab sich Mühe, sich seine Aufregung nicht anmerken zu lassen. In einem Ernstfall schätzte Traber es nicht, wenn man sich Emotionen anmerken ließ. »Das Hotel Schweizerhof. Ja, absolut sicher.«
»Bleiben Sie dran. Ich komme selbst rüber…«
Die Polizeistreife, die die Anmeldeformulare der Hotels überprüfte, war soeben im Schweizerhof angekommen, als die untersetzte Gestalt General Trabers, der ein Zigarillo paffte und die Hände tief in den Manteltaschen vergraben hielt, die Empfangshalle betrat. Ihm folgten sechs seiner Männer, sämtlich in Zivil und sämtlich bewaffnet.
»Was gefunden?« fragte Traber und warf einen Blick ins Register.
»Heinz Golchack ist gar nicht nach Deutschland weitergereist«, sagte einer der Polizisten schnell. »Er ist hier gemeldet – Zimmer 201.«
»Aha.« Traber paffte weiter. »Sonst noch jemand seit etwa mittags angekommen?«
»Heinrich Baum, ein Zahnarzt aus Basel – Zimmer 207. Und ein gewisser Rudi Bühler – auch aus Wien. Seine Ankunft könnte ebenfalls mit dem Flug 433 in Zusammenhang stehen – Zimmer 316.«
»Golchacks Zimmer zuerst«, befahl Traber. Er sah sich den Mann am Empfang an. »Hauptschlüssel, bitte. Und sollte irgendein Hotelgast versuchen zu telefonieren – egal, aus welchem Zimmer – dann ist Ihre Telefonzentrale vorübergehend außer Betrieb.« Er wandte sich an den Hotelportier, der jedes Wort in sich einsog. »Bringen Sie uns erst zu Zimmer 201…«
Die beiden Polizeibeamten blieben unten in der Empfangshalle, als Traber mit zweien seiner Männer im Fahrstuhl nach oben fuhr, während die anderen vier die Treppe benutzten. Vor Zimmer 201 blieb Traber stehen und wartete, während ein Agent leise den Schlüssel ins Schloß steckte, ihn umdrehte und mit erhobener Pistole die Tür aufriß und ins Zimmer stürmte. Sein Kollege folgte ihm. Als sie das Zimmer leer fanden, gingen sie den Korridor entlang zu Zimmer 207, das auf den Namen Heinrich Baum
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