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Lawinenexpreß

Lawinenexpreß

Titel: Lawinenexpreß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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Leonides selbst begangen hatte, allerdings ohne einem Menschen auch nur ein Haar zu krümmen. Damit hatte sich Nicos Leonides in den Augen Scharpinskys als einzigartig effektiver Killer qualifiziert, der ›Unfälle‹ zu inszenieren wußte, die niemals auf sowjetische Hintermänner zurückgeführt werden konnten.
    Es war Harry Wargrave gewesen, der Leonides vor dem Abflug aus Montreal telegrafiert hatte, er solle nach Mailand fliegen und die Wiener Nummer anrufen, die man ihm für den Fall genannt hatte, daß er sich mit Oberst Scharpinsky in Verbindung setzen wolle. Der KGB-Oberst hatte den Köder geschluckt und Leonides befohlen, mit dem Atlantik-Expreß mitzufahren und Marenkow zu töten, sobald sich eine Gelegenheit bot.
    »Ich nehme an, daß er noch immer auf mich zählt«, sagte Leonides mit einem ironischen Lächeln, als er sich Wargrave gegenüber hinsetzte.
    »Woher weißt du, daß er gerade eingestiegen ist?« fragte Wargrave scharf.
    »Weil ich angewiesen worden bin, im Züricher Hauptbahnhof vom Fenster aus zu signalisieren, ob Marenkow noch am Leben sei – und zwar dadurch, daß ich meine Pfeife in den linken Mundwinkel stecke…«
    »Und wer ist nun Scharpinsky?«
    »Ich habe keine Ahnung…« Leonides breitete resigniert die Hände aus. »Ich habe sorgfältig beobachtet, und keiner der Reisenden, die in den Zug einstiegen, hat mich beachtet. Das war mein Fehler…«
    »Welcher Fehler?«
    »Ich glaube, daß er als Gepäckträger verkleidet durch die Sperre gekommen ist.«
    Leonides beschrieb den verlassenen Gepäckkarren, den er beim Anrollen des Expreß auf dem Bahnsteig gesehen hatte. »Ein Gepäckträger nimmt seinen Karren immer mit«, betonte der Grieche. »Inzwischen wird er sich in einen der zahlreichen Reisenden verwandelt haben, die in Zürich zugestiegen sind. Was soll ich als nächstes tun?« fragte er plötzlich. »Und was ist mit Anna im Abteil nebenan?«
    Anna Markos, Leonides’ Schwägerin, hatte in Athen ebenfalls zu Wargraves geheimer Agentenzelle gehört. Ihre Schwester, einst Leonides’ Frau, war bei einem in der Innenstadt Athens von Kommunisten verübten Bombenanschlag ums Leben gekommen. Für mich arbeitet sehr viel Haß, dachte Wargrave, als er den Blick des hünenhaften Griechen erwiderte.
    »Ihr bleibt beide getarnt«, entschied er. »Übrigens, ich gehe doch wohl mit Recht davon aus, daß du diese beiden Saboteure erschossen hast, als der Expreß auf freier Strecke hielt?«
    »Mein bisheriger sehr magerer Beitrag zu unseren vereinten Bemühungen«, erwiderte Leonides.
    »Ja, ihr behaltet beide eure Tarnung bei«, wiederholte Wargrave. »Ich habe so eine Vorahnung, daß ich vor Ende dieses Unternehmens ein paar recht ungewöhnliche, um nicht zu sagen total ungesetzliche Methoden anwenden muß. Nehmen wir also einen Moment an, wir befänden uns noch in Athen.«
    »Ich habe vor, Scharpinsky zu töten, wenn wir ihn erst einmal entdeckt haben«, sagte Leonides leise. »Ich will nicht, daß dieser Mann gegen einen unserer Leute ausgetauscht wird, die in Rußland im Gefängnis sitzen. Ich will ihn töten. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
    Wargrave stand auf. Sein Gesicht war blaß. »Und bis wir in Schiphol ankommen und Marenkow an Bord dieser bereitstehenden Boeing haben, die ihn in die Staaten fliegen soll, leite ich das gesamte Unternehmen und gebe jeden einzelnen Befehl. Habe auch ich mich klar genug ausgedrückt, Nicos?«
    »Zu meinem Bedauern muß ich sagen – ja…«
     
     
    In dem Single-Schlafwagenabteil, das für einen gewissen Waldo Hackmann reserviert worden war, einen amerikanischen Staatsbürger – die Reservierung war von Lugano an bestätigt –, hatte sich Oberst Igor Scharpinsky seiner Gepäckträgeruniform entledigt. Aus dem blauen Koffer, den er mit in den Zug genommen hatte, hatte er neue Kleidungsstücke genommen und sich umgezogen. Die Gepäckträgeruniform hatte er in einen mit Ziegelsteinen beschwerten Kunststoffsack gesteckt. Er zog das Fenster herunter, wartete, ohne auf den Schwall eisiger Luft zu achten, der ins Abteil strömte, bis der Expreß eine Brücke über einen Fluß überquerte, und schleuderte dann den Kunststoffsack hinaus. Er fiel lange durch die Luft, bis er auf dem dünnen Eis aufschlug, es durchbrach und versank. Scharpinsky schloß das Fenster und zog das Rollo herunter. Dann drehte er die Heizung auf, um das Abteil warm zu bekommen.
    Er trug jetzt ein kariertes Sportjackett und Hosen amerikanischen Schnitts. Seine Wangen

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