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Lawinenexpreß

Lawinenexpreß

Titel: Lawinenexpreß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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hatten seine Finger etwas Ungewohntes berührt, etwas, was nicht dorthin gehörte. Langsam zog er einen versiegelten Umschlag heraus. Darauf stand in englischen Großbuchstaben NUR FÜR DEN PRÄSIDENTEN DER USA BESTIMMT.
    Leroy ging in dieser Nacht später zu Bett, als er erwartet hatte. Nachdem er seinen technischen Assistenten aus dem Bett geholt hatte, ließ er den Umschlag einer Reihe von Tests unterziehen. Er enthielt weder Sprengstoff noch irgendein Gift. Den noch immer versiegelten Umschlag ließ er durchleuchten. Auf dem Filmbild zeigte sich der klare Umriß einer Kassette. Auf die Kassettenhülle hatte jemand die Buchstaben AN eingeritzt.
    »Woher haben Sie das?« hatte West, der Techniker, plötzlich gefragt.
    »Ist mir übergeben worden«, erwiderte Leroy und ließ es dabei bewenden. »Übrigens, die Sache ist streng geheim – wenn ich weg bin, dürfen Sie also niemandem davon erzählen…«
    Um fünf Uhr war Leroy in seinem Schlafzimmer. Er hatte fertig gepackt und saß voll angezogen gegen das Kopfkissen gelehnt und dachte nach. Er wußte, daß der Umschlag nur von einem der Gäste beim Empfang in seine Tasche hatte praktiziert werden können. Der Betreffende hatte es sehr geschickt gemacht. Leroy hatte erst Minuten vor dem Empfang einen anderen Anzug angezogen. Die einzig mögliche Schlußfolgerung – so fantastisch sie auch sein mochte –, daß einer der beim Empfang anwesenden Russen ihm den Umschlag zugesteckt hatte. Und das direkt unter den Augen von General Sergej Marenkow, dem Chef des KGB. Leroy schauderte bei dem Gedanken. Wer immer es gewesen war – der Mann mußte verdammt gute Nerven haben. Vielleicht war er aber auch verzweifelt.
    Je mehr Leroy darüber nachdachte, um so plausibler erschien ihm diese Annahme. Es war nicht gerade ein Staatsgeheimnis, daß seine Dienstzeit an der Botschaft abgelaufen war und daß er in die Vereinigten Staaten zurückkehren würde – diese Tatsache würde sowjetischen Stellen bekannt sein. Jemand hatte sich diesen Umstand also zunutze gemacht – die Tatsache, daß die Kassette nur wenige Stunden in Prag verbleiben würde, nachdem sie ihm zugesteckt worden war.
    ›Und wie zum Teufel soll ich sie dem Präsidenten übergeben?‹ fragte er sich.
    Es war bezeichnend für Matt Leroy, daß er die Notwendigkeit absoluter Geheimhaltung erkannte; das bedeutete nämlich, daß er seinen Vorgesetzten in Washington würde übergehen müssen. Als er am folgenden Tag in Washington landete, hatte er das Problem noch immer nicht gelöst. Statt dessen löste sich das Problem von selbst.
    Vierundzwanzig Stunden nach Leroys Ankunft in Washington traf der deutsche Bundeskanzler als Gast Präsident Moynihans ein. Matt Leroy wurde zu einem Empfang ins Weiße Haus geladen, bei dem er dem Bundeskanzler persönlich über seine Einschätzung der politischen Lage in der Tschechoslowakei Bericht erstatten sollte. Leroys Chef, Chuck Grant, behagte diese Idee gar nicht.
    »Warum er sich nicht direkt von mir informieren läßt, weiß der Himmel«, bemerkte er wütend zu Leroy.
    »Vielleicht mag er sich lieber von Leuten berichten lassen, die vor Ort gewesen sind«, meinte Leroy mit einem listigen Zwinkern.
    In Wahrheit war es Präsident Joseph Moynihan, der die direkte Berichterstattung vorzog. Wie er in der für ihn typischen unorthodoxen Art einmal zu einem Berater bemerkte: »Es ist der Mann vor Ort, der Bescheid weiß. Die Schreibtischhengste hier bei uns lieben es, die Meldungen von draußen zu interpretieren, sprich zu versauen. Damit versuchen sie, ihre Existenzberechtigung nachzuweisen, und das in einem Job, der vermutlich völlig überflüssig ist.«
    Auf dem Washingtoner Empfang wurde Leroy Moynihan vorgestellt, der ihm beim Arm nahm und zu dem Bundeskanzler führte.
    »Einen Augenblick, Herr Präsident«, sagte Leroy schnell. Mit wenigen Worten hatte er erklärt, was es mit der Kassette auf sich hatte. »Ich habe sie bei mir«, fuhr er mit leiser Stimme fort. »Das könnte reines Dynamit sein…«
    »Tatsächlich?« Moynihan grinste ihn breit und strahlend an. »Dynamit, sagten Sie? Na, dann freue ich mich schon jetzt aufs Öffnen.«
    »Auf Explosivstoffe habe ich das Ding schon untersuchen lassen«, sagte Leroy schnell, »sowohl hier als auch in Prag…«
    »Davon bin ich ausgegangen – das war nur ein kleiner Scherz. Also, glauben Sie, Sie könnten das Ding ebenso geschickt in meine Tasche praktizieren, wie das bei Ihnen in Prag gemacht worden ist? Vergessen Sie nicht,

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