Lazyboy
werden. Aber ich weiß, dass Monika so etwas wichtig ist, dass wir auch einmal gemeinsam etwas unternehmen, dass ich Interesse an ihren Freunden zeige. Ich wette, dass die beiden anderen Männer es genauso schrecklich finden wie ich und dass es nur der Alkohol ist, der es ihnen erträglich macht, wie bei mir. Allerdings können sie wesentlich besser schauspielern, oder sie können sich besser von ihren primären Grundbedürfnissen, Selbstwerterhalt usw., unabhängig machen. Sie sind opferbereiter, scheint mir.
Ich bin heute auch nur ein ganz klein wenig zu spät gekommen, ein winziges bisschen, so winzig und unscheinbar, dass Monika gar nicht richtig böse gewesen ist, sondern nur etwas verkniffen gelächelt hat, als ich als Letzter zum Essen dazukam, sie hatten gerade erst mit der Vorspeise angefangen, irgendetwas mit Mangold und irgendeinem fremdländisch klingenden Getreide. Eigentlich hatte ich sie abholen wollen, aber was soll man machen, wenn einem ständig irgendwo eine Tür dazwischenklappt?
Die sogenannte Gerberei übrigens ist der Horror, ein hippes Einrichtungshaus auf mehreren Etagen für junge oder jung gebliebene Besserverdiener oder solche, die es werden wollen, mit Gourmetstationen und ähnlich faschistoidem Unsinn, überall stehen gut gekleidete DJs im Weg herum mit ihren Decks und legen angesagte Tracks für die glamourösen Yuppiemütter auf, pump, pump, pump, schillernde House- und Disco-Einkaufsfantasien. Und am Wochenende wird abgefeiert bis in die Puppen, ich kenne das, weil ich mit Monika da war, sie hat es kolossal glücklich gemacht, ihre Augen sprühten Funken angesichts der herrlichen, teuren Möbel, die ich mir nicht leisten kann, und ich hatte anschließend drei Tage lang schlechte Laune, aber das war es natürlich wert.
»Ich habe Kopfschmerzen«, sage ich, benetze meine Lippen würdevoll mit der gestärkten Serviette, »entschuldigt mich bitte.«
Dann begebe ich mich mit leidendem Gesicht in den Bauch der Wohnung, um nach irgendeiner für mich einschlägig benutzbaren Tür zu suchen.
14
Mein Mobiltelefon klingelt.
»Das war aber nicht besonders galant, einfach abzuhauen ohne ein Wort«, sagt das Mädchen, das ich als Daphne kennengelernt habe und das ich zuletzt in einem Kellerraum verschwinden sah.
»Ich wäre gerne noch geblieben«, sage ich, »aber ich hatte keine Zeit mehr. Ich musste zurück in meine Stadt. Im Gegensatz zu dir stand für mich nicht einfach eine Tür offen.«
»Ich wäre ja sofort zurück gewesen.«
»Aber das konnte ich ja schlecht wissen, du hättest ja auch ewig wegbleiben können. Wie war es denn, und wo warst du?«
»Auf Borkum. Es hat geregnet. Aber irgendwie trotzdem ganz schön, so ein Strandspaziergang.«
»Stimmt«, sage ich, »das geht auch im Regen. Nordsee geht immer.«
»Können wir uns sehen?«, fragt sie. »Ich habe etwas mit dir zu besprechen.«
»Klar«, sage ich. »Komm durch die Tür!«
»Jetzt gleich kann ich nicht.«
»Warum nicht?«
»Ich habe Verpflichtungen.«
»Oh«, sage ich, »klar.« Ich versuche mir vorzustellen, welche Verpflichtungen ein 13-jähriges Mädchen haben kann.
»Du glaubst mir nicht, oder? Du glaubst, ich bin bloß eine hysterische Teenagerin, der es Spaß macht, sich im Keller hinter eine Tür zu hocken. Du glaubst, dass ich mich bloß interessant machen will, stimmt’s?«
»Komm jetzt gleich, komm jetzt hierher in meine Küche, dann glaube ich dir«, sage ich.
»Ich kann jetzt nicht, das sage ich doch.«
»Wieso?«
»Ich muss auf meinen Onkel aufpassen.«
»Du musst auf ihn aufpassen?«
»Ja.«
»Wieso?«
»Das erzähle ich dir, wenn wir uns sehen. Darüber sollte ich nicht am Telefon sprechen.«
»Oh«, sage ich. Nein, natürlich nicht. Natürlich klingt sie nicht einfach wie ein Mädchen, das sich interessant machen will. »Wann kannst du denn?«
»Morgen, morgen Nachmittag. Aber nicht bei dir, in einem Café.«
»Gut«, sage ich, und dann beschreibe ich ihr das Café, in das sie kommen soll.
Ich sitze im Café Spitzweg am Fenster und blicke durch die Scheibe auf die Straße. Ich denke über die Bedienung nach, eine groß gewachsene 20-Jährige mit langen, seidig braunen Haaren und allerhand sackartigen lila und rosa Stoffen, die sie um sich herum drapiert trägt. Sie bildet sich offensichtlich ein, den Laden mit ihrer Anwesenheit zu adeln. Sie hält sich für wer weiß wie schön. Leider ist sie in der Tat wer weiß wie schön. Die Kunsthochschule ist um die Ecke, und vermutlich
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