Lazyboy
zwei Jahre sind vergangen, aber der Code hat sich anscheinend nicht verändert. Am Telefon kann man natürlich nicht klar sagen, was man will. Als ich Dirks Nummer gerade bekommen hatte von irgendjemandem, hatte ich keine Ahnung, ich sagte geradeheraus, was ich wollte. Dirk war sehr kurz angebunden. Ich solle in einer Dreiviertelstunde im Wendehammer der und der Sackgasse auf ihn warten. Ich wartete eine halbe Stunde, und dann hielt endlich ein Opel Ascona neben mir, und ein unsympathisch aussehender Mensch mit dünnen Haaren und einer Bomberjacke herrschte mich an, dass ich einsteigen und dass ich das nie wieder machen solle, am Telefon einfach so zu sagen, was ich brauche, ob das klar sei? Ich hatte mich noch nicht einmal angeschnallt, und wir kannten einander gar nicht. Damals setzte er mir den Code auseinander. »Wenn du mich anrufst, dann denkst du dir einen Namen einer Person aus, von der du mich grüßen sollst. Ist es ein Name mit A, dann weiß ich, dass du ein Gramm oder eine Pille brauchst. Ein Name mit B zwei Gramm oder zwei Pillen, Name mit C drei Gramm und so weiter. Hat der Name eine Silbe, geht es um Koks, zwei Silben Pillen, drei Silben MDA, vier Silben Marihuana, alles klar? Frauenname heißt, du zahlst bar, Männername, du willst anschreiben lassen. Alles klar?«
»Alles klar«, stotterte ich beeindruckt. Erst später fiel mir auf, dass das Wort Marihuana fünf Silben besitzt.
»Also, was willst du?«, sagte er.
»Ich soll dich von Heiko grüßen«, sagte ich, ich hatte keine Ahnung, was es bedeutete, mir fiel bloß nichts anderes ein.
»Bist du bescheuert?«, sagte er. »Hier kannst du natürlich Klartext sprechen, Mann, du Flachpfeife. Von wem hast du die Nummer noch mal?«
Jetzt habe ich also zwei Einheiten MDA bestellt, eine Droge, die den Kopf weich macht, ein Halluzinogen, das auch in Ecstasy enthalten ist, aber ohne die Speed-Komponente. Man geht still und friedlich den Dingen auf den Grund. Man wird nicht hibbelig und braucht nicht zu tanzen. Ähnlich wie beim Kiffen, aber wacher, nicht so breiig, und viel, viel tiefer.
Ich steige ins Taxi und rufe Monika an.
»Minka«, sage ich. »Heute Abend wird es leider doch nichts. Ich habe mir gerade den Mittelfinger gebrochen und fahre jetzt ins Krankenhaus. Nein, du musst mich nicht begleiten, so schlimm ist es auch nicht. Geklemmt, ich wollte etwas zu schwungvoll das Küchenfenster schließen.«
Ich weiß nicht, wo ich die Lügengeschichten immer hernehme. Das heißt natürlich, dass ich auch noch einen Verband besorgen muss.
Bei Dirk angekommen, wundere ich mich wieder einmal, wie lieblos junge Männer ihre Wohnungen einrichten. Ich bin allerdings nicht sicher, ob für Dirk die Bezeichnung junger Mann noch gilt. Er ist ein, zwei Jahre jünger als ich. Er lebt in einer Zweizimmerwohnung in einem Rotklinkermietshaus um die Ecke vom Flughafen, das habe ich schon immer als passend empfunden, die räumliche Nähe zum Abheben. Die Wände seiner Zimmer sind beide gelb gewischt. Er besitzt eine Madagaskarpalme und ein Ledersofa zum Ausziehen, außerdem einen Flachbildfernseher. Man sitzt dumm mit ihm da und schweigt. Ich bin immer froh, das heißt, ich war es, wenn ich wieder aus der Wohnung hinaus darf. Wir haben uns ungefähr so viel zu sagen wie ein Cockerspaniel einem Rhinozeros.
»Was geht?«, fragt er mich noch in der Tür.
»Nicht viel«, sage ich, »und selbst?«
»Willst du?«, fragt er und hält mir seine Bong hin, sobald er in einem mit Cord bezogenen Sessel Platz genommen hat und ich auf dem Sofa versunken bin. Dirk ist einer der wenigen Dealer, die die ganze Zeit hemmungslos vor sich hinkiffen und denen man nie etwas davon anmerkt. Das Klischee ist sonst ja eher, dass sich diese Typen aus allem sauber heraushalten.
»Nee, lass mal«, sage ich. »Ich muss gleich noch arbeiten.«
»Alles klar«, sagt er, »dazu die Ladung.«
»Genau«, sage ich.
Er lässt mich etwas zappeln, er lässt mich noch eine Weile nett zu sich sein, dann reicht er mir schließlich das Gefriertütchen mit dem Pulver herüber, das ich in mehrfacher Hinsicht teuer bezahle.
Zu Hause mache ich die Lavalampe an, die ich mir auf dem Flohmarkt für solche Zwecke gekauft habe. Ich schütte etwas von dem Pulver in ein Glas Cola. Ich entspanne mich schon vor dem ersten Schluck. Ich habe es mir verdient, finde ich. Kein Grund, mich schuldig zu fühlen oder ein schlechtes Gewissen zu haben. Wenn ich schon neben der Kappe bin, dann bitte richtig.
In mir breitet sich
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