Lazyboy
gemächlich sanftes Licht aus. Ich sitze auf dem Teppichboden und schaue mir mein Wohnzimmer an. Wohlwollen ergreift mich. Hier wohnt aber eine besonders geschmackvolle Person. Mein Blick bleibt an der Tür hängen, er rastet regelrecht ein. Ich kann meinen Blick leise klicken hören. Dass mag daran liegen, dass die Tür selbst milde zu leuchten begonnen hat. Sie strahlt leise ein sanft pulsierendes Licht aus, sie schimmert und glänzt wie Perlmutt. Dann macht die Tür einen Ruck und hebt sich selbsttätig aus den Angeln. Sie schwebt leuchtend in der Luft. Um sie herum werfen die Dinge weiche Schatten. Mir ist, als würde die Tür lächeln. Sie lächelt mir zu. Sie möchte etwas mitteilen, das nur für mich bestimmt ist. Nur ich kann es verstehen. Also lächele ich zurück. Sie glimmt und strahlt und bewegt sich langsam auf mich zu. Ich empfinde zärtliche Gefühle für diese Tür. Komm und verschluck mich. Ich kann das jetzt annehmen. Ich kann jetzt alles annehmen, meine leichteste Übung. Ich bin kilometertief entspannt, ich bin die menschliche Entspannung. Ich bin voller Licht. Ich bin voller Liebe. Betrachtet mich als geheilt.
13
»Das haben wir aus der Gerberei rausgeschleppt«, sagt Eduardo. »Das war natürlich nicht gerade billig, aber Laura wollte es unbedingt haben. Sie hat einfach keine Ruhe gegeben und unentwegt herumgequengelt, da habe ich schließlich gesagt, he, Schatz, ach komm, was soll’s, schlecht geht es uns ja nun gerade nicht. Ihre glücklichen Augen hättet ihr sehen sollen.«
Der Gesprächsgegenstand ist ein weiß glänzendes Sideboard, das bei Eduardo und Laura im Esszimmer steht. Das Esszimmer: graue Wände, weiße Möbel, violette Vorhänge. Das angesprochene Sideboard wird von den anwesenden Frauen ausgiebig bewundert. Anwesend sind: Ich, Monika, Laura, Eduardo und ein weiteres Paar, Pärchenabend, Freunde von Laura und Eduardo, sie ist klein, dick, schwanger und heißt Marianne, er heißt Thomas und besitzt ein schwäbisches Restaurant im Viertel, obwohl er, wie er sagt, aus Hameln stammt. Alle sind ganz außer sich angesichts des fantastischen, neu angeschafften Möbels, ein echter Coup, den Eduardo da gelandet hat. Seit anderthalb Stunden wird ausschließlich über Möbel und Kinder, Kinderkriegen und alles, was damit zusammenhängt, gesprochen. Für diese Menschen bietet das eine unermessliche Variationsbreite. Man kann sich ewig und mit einer verblüffenden Euphorie verbal in diesen Themenkreisen suhlen. Mein Gehirn hat sich stark zusammengezogen, es ist im Begriff zu vertrocknen, ich fühle es. Es füllt meinen Schädel nicht mehr aus, gefährliche Hohlräume sind entstanden. Es kollert im Schädel umher wie eine Nuss. Ich fühle auch, dass mein Mund offen steht. Meine Augen haben einen verblödeten Ausdruck angenommen. Ich habe seit einer Dreiviertelstunde keinen zusammenhängenden Satz geäußert, in den letzten zehn Minuten habe ich noch einmal Hm gemacht und zuletzt einfach Hngh . Anfangs hatte ich sogar einen Angelhaken im Gespräch, als dieser Thomas von seinem Restaurant erzählte und ich nachfragte, welche Musik er dort laufen ließe. Aber jetzt: Möbel und Kinder. Und ich spüre deutlich, dass mein Gehirn gewässert werden muss und frische Luft benötigt oder Auslauf.
Ich habe bestimmt schon alleine anderthalb Flaschen Rotwein geleert, das trägt sicherlich nicht zu einem intelligenten Gesichtsausdruck bei. Andererseits sehe ich auch nicht ein, mir hier noch Mühe zu geben. Menschen, die in Gesprächen übers Kinderkriegen und Einrichtungsgegenstände volle Befriedigung erfahren, sind es nicht wert, die Kruste dieses schönen Planeten mit ihrer Existenz zu beschmutzen.
Wir treffen uns neuerdings in loser Folge reihum, und das gastgebende Paar verwöhnt die anderen mit kulinarischen Köstlichkeiten, ein richtiger kleiner Pärchen-Kochzirkel. Nett, habe ich gesagt, als Monika mich fragte, richtig nett, ist doch toll, sagte ich, damit sie nicht wieder einen Anlass hat, über mich zu schimpfen. Aber die Aussicht, diese Kreaturen jetzt regelmäßig in dieser Konstellation sehen und gelegentlich auch noch für sie kochen zu müssen, macht mich fertig. Ich lächele starr vor mich hin. Ich fürchte, mein Unbehagen hat eine stinkende Aura um mich herum gebildet. Kochen ist ohnehin das Letzte. Ich bereite selbst nur Nahrung zu, wenn es unbedingt sein muss, wenn alle Restaurants im Umkreis von 20 Kilometern niedergebrannt sind oder aus hygienischen Gründen geschlossen
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