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Lazyboy

Lazyboy

Titel: Lazyboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Weins
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wieder zurück nach Deutschland, wo man ihre Sprache spricht. Das alles sagt sie zur Begrüßung.
    Ich sage ihr, dass ich nach Hamburg fahre, in meine Heimatstadt.
    »Aha«, sagt sie, aber sie sieht nicht begeistert aus.
    »Ist Hamburg in Ordnung?«
    »Ist okay«, sagt sie. »Sie können mich ja sonst auf dem Weg rauslassen.«
    Sie steigt zu mir in den Wagen, schiebt ihren Rucksack auf die Rückbank, und ich schaue mir ihr Gesicht an. Sie sieht hübsch aus, nicht überwältigend, aber hübsch, sie hat ein paar Sommersprossen auf der Nase, sie hat volle Lippen, die Nasenspitze zeigt nach oben.
    »Du kannst gerne du zu mir sagen«, sage ich. »Damit fühle ich mich irgendwie wohler.«
    »Wie alt sind Sie denn?«, fragt sie.
    Ich sage ihr, dass ich 35 Jahre alt bin.
    »Stimmt«, sagt sie, »geht.«
    »Ja, kann man aushalten. Warst du schon mal in Hamburg?«
    »Nö. Wozu auch?«
    »Na ja. Immerhin ist es nach Berlin die einzige deutsche Großstadt von Format.«
    »Hamburg ist keine Großstadt«, sagt sie, ohne mich anzusehen, »Hamburg ist Provinz.«
    »Ja?«
    »Klar«, sagt sie entschieden.
    »Und was ist dann deiner Meinung nach eine Großstadt?«
    »Frankfurt ist eine Großstadt und Köln und vielleicht noch München, da ist auch etwas los, aber Hamburg ist total provinziell.«
    »Ich denke, du warst noch nie dort?«
    »War ich auch nicht. Aber alle sagen das. Man muss ja nicht überall gewesen sein, um zu wissen, wie es da aussieht. In New York oder in Rio war ich auch noch nicht, und ich weiß trotzdem, was mich da erwartet.«
    Wir schweigen eine Weile, ich fädele auf die Autobahn Richtung Amersfoort ein.
    »Das einzig Gute an Hamburg ist«, sagt sie nach einer Weile, »dass es am Meer liegt.«
    »Hamburg liegt nicht am Meer«, sage ich.
    »Wie?«, sagt sie. »Klar liegt es am Meer, es hat doch diesen Hafen.«
    »Es hat den zweitgrößten Hafen Europas nach Rotterdam, und es ist nach Berlin die zweitgrößte Stadt Deutschlands, annähernd 1,8 Millionen Einwohner. Es liegt an einem Fluss, der Elbe heißt, dort wo sich Alster und Elbe treffen. Zum Meer sind es noch etwa 60 Kilometer in beide Richtungen, Hamburg liegt nicht am Meer.«
    Ich bin ernsthaft beleidigt, stelle ich fest, vermutlich ist das meine provinzielle Einstellung.
    »Echt nicht? Dachte ich immer.«
    »Tja«, sage ich.
    »Dresden liegt doch an der Elbe«, sagt sie.
    »Hamburg auch«, sage ich, »kannst du mir glauben, ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen, ich habe schon Steine in die Elbe geworfen in Hamburg, ich schwöre beim Leben meiner Mutter.«
    »Kein Grund, gleich laut zu werden.«
    »Ich denke, du heißt Silke, das ist doch ein norddeutscher Name, da muss man doch wissen, dass Hamburg nicht am Meer liegt.«
    »Ich bin aber nicht norddeutsch«, sagt sie, »das ist bloß mein Name, meine Mutter stammt aus Dittmaischen oder wie das heißt.«
    »Dithmarschen«, sage ich. »Magdeburg liegt übrigens auch an der Elbe. Das ist ein langer Fluss, die Elbe.«
    Wir schweigen, nach einer Weile unternehme ich einen zweiten Versuch.
    »Was machst du denn so?«
    Sie guckt aus dem Seitenfenster, wo jetzt die weiteste Fläche der Erde vorbeizieht, unendlich gedehntes Grün bis zum Horizont und dahinter klitzklein ein gotisches Türmchen. Sie sagt: »Ich überlege, ob ich irgendetwas studieren soll. Vermutlich wäre es das Beste. Ich denke schon.«
    »Und was überlegst du zu studieren?«
    »Kunstgeschichte oder Germanistik. Oder Romanistik. Oder Slawistik, was mit Sprache auf jeden Fall. Oder Soziologie.«
    »Ah«, sage ich.
    »Du siehst gar nicht aus wie über 30, sagt sie. »Du siehst noch richtig jung aus.«
    »Ich bin noch richtig jung«, sage ich. »Alt ist man ab 40, meine Meinung.«
    Aber an ihrem Blick kann man sehen, dass sie mir nicht glaubt, dass sie das für völligen Quatsch hält. Einer 21-Jährigen kann man nicht glaubhaft machen, dass für einen 35-Jährigen ihr Alter wie vorgestern ist. Gerade eben war ich 21, ich weiß noch genau, wie es sich anfühlt. Alleine schon der Versuch des Erklärens ist lächerlich.
    »Was ist?«, fragt sie.
    »Schon gut«, sage ich.
    Wir schweigen. Nach einer Weile sagt sie: »Ich war noch nie am Meer.«
    »Echt nicht?«
    Ich schaue sie mit großen Augen an. Selten, so ein Exemplar, ein Mensch, der noch nie am Meer war. »Warum das denn?«
    »Meine Eltern haben früher immer Urlaub in den Bergen gemacht, als ich klein war, in Unterach am Attersee, immer im gleichen Ort, in der Pension von Frau Roither. Und

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