Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lazyboy

Lazyboy

Titel: Lazyboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Weins
Vom Netzwerk:
leuchtendes Bild hinter die Augen, ich bekomme vor Schreck und Angst die Arme nicht mehr rechtzeitig vor mein Gesicht. Der Revolvermann schlägt mir mit dem Pistolenkolben ins Gesicht, ich spüre, dass etwas mit meinen Zähnen nicht stimmt, Flüssiges im Mund, ich sinke auf die Knie, und der eine lässt weiter seinen Knüppel sprechen und der andere die Faust und seine Pistole, und schließlich liege ich ausgestreckt da im Schlamm, nackt, mit dem Mund voll stiller, träger, müder roter Erde. Dann verändert sich das Bild, zwar bin ich immer noch nackt und schlammverschmiert, aber jetzt halte ich den Revolver in der Hand, der eine Mann ist verschwunden, und der andere Mann, der verbliebene, kniet vor mir im Schlamm und ich setze den Revolver an eine ganz besondere, mit Bedacht ausgewählte Stelle auf seinem Hinterkopf. Dann schließe ich die Augen, lege den Kopf zurück in den Nacken und krümme genussvoll seufzend den Finger.
    Das ist der Moment, in dem ich aufwache. Und es dauert eine Weile, bis ich begreife, wo ich bin, von einem Baum gefallen, und dass ich geträumt habe, dass ich in Wahrheit keinen Menschen getötet habe, zumindest noch nicht.
    Zum Frühstück esse ich eine von den Doldenfrüchten, die wie rohe Aubergine schmeckt. Ich denke an Daphne und wo sie wohl sein mag, wie es ihr wohl geht. Ich folge dem Pfad. Nach einer Weile mündet dieser auf eine asphaltierte Straße. Dunkler, fast schwarzer Asphalt, in der Mitte sorgfältig in sattem Weiß mit Linien versehen.
    Ich gehe am Rand der Straße entlang, bis ich einem Mann auf einem Fahrrad begegne. Der Mann ist mittelgroß, seine Hautfarbe ist weiß, das Fahrrad von der Marke Olympia, und auch seine Kleidung entspricht mitteleuropäischen Bekleidungsgewohnheiten. In Schlangenlinien kommt er mir auf der Straße entgegen. »Excuse me«, rufe ich ihm entgegen.
    Er verlangsamt und kommt mit einiger Mühe schwankend vor mir zum Stehen. Er hat sichtlich Mühe, mich zu fokussieren. Seine Iris ist grau, schwimmt in allerlei gelblichem Weiß mit Geäder. Hurra, denke ich. Ich bin gerettet. So sieht er aus, mein Retter.
    »Do you speak English, where does this road lead to, can you take me anywhere, I need your help. Please.«
    »Nix verstehen«, sagt der Mann und will sich wieder auf sein Fahrrad schwingen.
    »Warten Sie«, sage ich. »Wo sind wir? Wohin führt die Straße?«
    »Watt denn nu«, sagt er, und sein Fahrrad rutscht ihm aus der Hand. »Englisch oder Deutsch oder watt?«
    »Wohin führt diese Straße?«, sage ich und deute die Straße hinauf, die er herunterkam, die ich plötzlich in anderem Licht betrachte.
    »Drei Kilometer bis Bargfeld-Stegen.«
    »Wie?«
    »Leben Sie dort in der Anstalt?« Sein Blick wirkt eine Spur wacher. Bargfeld-Stegen liegt keine zehn Kilometer vor den Toren der Stadt, in der ich lebe. Die Gemeinde beherbergt das größte psychiatrische Landeskrankenhaus der nördlichen Hemisphäre.
    »Danke«, sage ich.
    Dann sehe ich dem Mann nach, wie er unsicher und trotzdem voll unschuldiger Anmut dem Vormittag entgegen radelt.
     
    21
    Ich prüfe mit einem raschen Blick meine Grundausrüstung, die zum ersten Mal zum Einsatz kommt: Kreditkarte, Bargeld, Mobiltelefon samt Aufladegerät, Schweizer Armeetaschenmesser mit 36 Funktionen inklusive USB-Stick mit wichtigen, persönlichen Informationen, Reisepass, kleine Notfallapotheke, lange Thermounterwäsche, Mütze, Sonnenbrille. Ohne diese Grundausrüstung mache ich keinen Schritt mehr. Ich trage sie ständig am Körper. Ohne gehe ich nicht mal mehr auf die Toilette. Und wenn ich dusche, liegt meine Grundausrüstung in einem Plastiksack zu meinen Füßen. Ich fühle mich wie ein Höhlenforscher mit Lampe am Helm, bereit, in den schwarzen Schlund hinabgeseilt zu werden.
    Ich drücke auf den Klingelknopf. Keine Reaktion.
    Monika habe ich erzählt, dass ich eine Popmusikgeschichte in Worms recherchiere. Offiziell besuche ich den Mann mit der größten James-Last-Plattensammlung der Welt, der ein privates James-Last-Museum unterhält. Schöne Geschichte eigentlich. Aber immer diese Lügen. Irgendwann muss ich Monika wirklich reinen Wein einschenken und mich gemeinsam mit ihr besinnungslos daran besaufen. Irgendwann, nicht heute. Monika. Minka. Minoka. Gleichzeitig vertraut und trotzdem so fremd, fremder, ferner Stern. Sollte man vor dem Menschen, den man vorgeblich liebt, den man glaubt zu lieben, Angst haben?
    Ich drücke erneut auf den Klingelknopf unterhalb des Schildes, auf dem Brettschneider

Weitere Kostenlose Bücher