Lazyboy
gewesen. Das hast du doch gesagt, oder?«
»Kann schon sein.«
»Bist du auch im Schrank angekommen?«
»Jupp.«
»Und dann bist du unbemerkt rausgeschlichen?«
»Jupp.«
»Führt diese Tür immer nach Beek, ich meine, dich auch?«
»Wer weiß?«
»Daphne!«, sage ich.
»Nicht immer.«
»Daphne?«
»Ich war nur kurz da. Ich habe mit niemandem gesprochen. Ich habe nur ein paar Leute belauscht, die sich über einen anstehenden Event und ihren Messias unterhalten haben.«
»Den Mittler«, sage ich.
»Genau«, sagt Daphne.
»Das scheine ich zu sein, wie es aussieht.«
Oder du, denke ich, aber ich sage nichts in der Richtung. Nicht, dass sie ihn mir noch wegschnappt, den Job.
»Was weißt du sonst über Beek?«, frage ich.
»Nichts. Was hast du denn erlebt, was genau wollten die von dir?«
»Kennst du den Film Die sieben Samurai ? Der, wo dieses Dorf immer wieder von Räubern überfallen wird und sie schließlich diese sieben berühmten, aber auch abgehalfterten Samurai anheuern, um die Räuber endgültig zu vertreiben? Es ist genau wie in Die sieben Samurai , so musst du es dir vorstellen.«
»Was muss ich mir so vorstellen?«
»Na, die Stadt, Beek. Diese Mittler-Geschichte. Nur dass ich eben alleine bin und nicht sieben, ich bin quasi sieben auf einen Streich, verstehst du?«
»Das ist dann allerdings Das tapfere Schneiderlein , und vielleicht passt das auch besser zu dir insgesamt.« Sie zieht den Kaugummi lang, den sie im Mund hat.
»Häh?«, sage ich.
»Sieben auf einen Streich stammt aus dem Märchen Das tapfere Schneiderlein .«
»Ja, ist okay, klar.«
»Und nun?«
»Ich muss wohl bald dahin zurück und für diese Leute durch die Tür gehen. Da wartet wirklich eine Aufgabe auf mich in dieser Stadt. Ich muss den Leuten helfen, anscheinend kann nur ich das tun.«
»Klingt aufregend.«
»Ja, und ich soll dort in einer Hütte leben, du musst mich unbedingt besuchen kommen.«
Daphne schaut mich zweifelnd an. »Okay?«
»Mann, was ist das da bloß«, sage ich. »Kannst du mir das sagen? Man geht durch diese Tür und kommt da in einem Nest von Spinnern an. Das ist doch völlig unglaubwürdig.«
Und als wäre ich acht Jahre alt und nicht 35, sage ich: »Schwör, dass du auch da gewesen bist!«
»Ich schwöre«, sagt Daphne.
Wir stehen eine Weile mit hängenden Armen voreinander und sehen uns ausdruckslos an. Irgendwann müssen wir lachen. »Verrückt«, sage ich.
»Und ob«, sagt Daphne. Wir schütteln die Köpfe.
»Komm mit hoch. Ich mache uns Kakao.«
Daphne und ich sitzen in der großen, alten Küche und sehen der Nacht zu, wie sie sich zunächst schwarz verdichtet und anschließend langsam verblasst. Sie hat heiße Schokolade gekocht und Leberwurstbrote geschmiert. Keine Männer in Anzügen so weit, die um das Haus herumschleichen, allerdings auch kein Onkel, der sich blicken lässt.
Später, als der Morgen graut, nehme ich den Bus, der mich in die Kreisstadt bringt. Dort steige ich in den Zug.
Stunden später komme ich zu Hause an, in meiner Heimatstadt.
Ich betrachte alles mit den Augen eines Fremden. Alles kommt mir sonderbar vor. Die Dinge, die Häuser, die Menschen tragen einen unwirklichen Glanz.
Zu Hause sitze ich lange auf dem Stuhl und sehe das Telefon an, das vor mir auf der Tischplatte liegt. Das Telefon, meine Verbindung zu Monika. Monika hat sich schon länger nicht gemeldet, das ist kein gutes Zeichen. Keine Nachricht auf dem Anrufbeantworter. Es bedeutet, dass sie beleidigt oder verletzt ist. Und ich kann sie gut verstehen, so oft, wie sie von mir hingehalten wurde. Ich selbst würde mir das nicht durchgehen lassen. Ich würde mir das seit einer Weile schon nicht mehr verzeihen.
Dann frage ich mich, ob ich meinen Chef anrufen muss. Ich zähle langsam bis 48, dann wähle ich die entsprechende Nummer. Mein Chef setzt mir in sonderbar freundlichem Ton auseinander, dass meine Krankschreibung seit zwei Wochen abgelaufen sei. Dass ich ihm eine achtseitige Strecke zur Metropole Mailand schulde, die ich gemeinsam mit dem Fotografen Schorsch hätte abliefern wollen. Dass ich ihm diverse Kurzkritiken neuer Platten sowie die allseits beliebten Musikhoroskope, Vorhersagen in Songtextzitaten, für den nächsten Monat versprochen hätte. Ich sage zu allem, was er sagt, ach ja, ah ja, ja und hm, hm, hm, ich verspreche ihm alles, was er will, er soll das alles bekommen in allerkürzester Zeit. Ich werde nichts davon jemals abliefern, so viel ist klar, es sei denn, die nächste
Weitere Kostenlose Bücher