Lazyboy
Bank herum, setze mich neben sie. Sie ist überhaupt nicht überrascht, sie erschrickt nicht, sie blickt mich nicht einmal an. Schweigend sitzen wir nebeneinander auf der Parkbank mit unseren Telefonen am Ohr und lauschen in uns hinein und spüren beide sehr deutlich den gewichtigen Raum, der sich in jedem Augenblick zwischen uns bildet.
5
Mit meiner Reisetasche in der Hand komme ich im Kleiderschrank an. Ich kämpfe kurz gegen den Impuls an, in die Hände zu klatschen, wie es Pauschaltouristen nach der Landung ihrer Chartermaschine tun, weil diese Passage sich als so zuverlässig herausstellt. Ich trage jetzt meine eigene Winterkleidung, die weinrote Daunenjacke von Ralph Lauren , die ich einmal heruntergesetzt gekauft habe, ein Schnäppchen. Den Wintermantel von Daphnes Onkel habe ich über das Geländer der Kellertreppe gehängt.
Daniela sitzt auf dem Bett und starrt den Schrank an, es dauert eine Weile, bis das Erkennen in ihre Pupillen sickert, als habe sie schon eine ganze Weile den Schrank observiert.
»Hi«, sage ich und stelle meine Tasche auf den Holzfußboden.
Sie sagt: »Ich habe mir schon gedacht, dass es der Schrank ist, verrückt.«
»Bin ich pünktlich?«, frage ich.
»Jaja«, sagt sie.
»Möchtest du es selbst einmal ausprobieren?« Ich öffne die knarrende Schranktür einen Spalt weiter.
»Ich weiß nicht. Vielleicht später.« Sie sieht müde und nachdenklich aus.
»Hör mal«, sage ich. »Ich musste wirklich ein paar Dinge klären, ein paar Leuten Bescheid geben und so weiter. Es tut mir leid, dass ich es dir nicht persönlich gesagt habe, aber so war es irgendwie einfacher.«
»Ja, klar«, sagt sie müde. »Jetzt bist du ja wieder da.«
»Hast du daran gezweifelt?«
»Im Grunde nicht«, sie lächelt mich schwach an. »Aber wir kennen uns ja kaum. Mach das bitte nicht wieder, ja? Gib mir wenigstens vorher Bescheid, wenn du verschwindest, okay?«
Ich spüre, wie mein Blick flackert. Ich lächele dagegen an.
»Bin ich denn noch rechtzeitig?«
»Das schon«, sagt sie.
Ich setze mich neben sie aufs Bett und lege eine Hand auf ihre Schulter.
»Ich muss zur Arbeit«, sagt sie. »Du kannst mitkommen, wenn du willst. Für dich geht es erst heute Nachmittag los.«
Die Straßen sind mit Wimpeln und Girlanden geschmückt. Und es ist Sommer geworden in Beek. Ein wenig zu schnell für meinen Geschmack, so von einem Tag auf den anderen und ohne Umweg über den Frühling. Sattgrünes Laub glänzt in der Sonne, ein warmer Wind weht Staub über die Straßen.
»Wie lange war ich denn weg?«, frage ich und öffne den Reißverschluss der Daunenjacke.
»Zwei Tage.«
»Ah«, sage ich und blicke verdutzt den Schwalben hinterher, die sich wie auf Amphetaminen in die Luft werfen.
»Was ist das mit den Jahreszeiten hier, wechseln die immer so rasant?«
»Was meinst du?« Daniela schaut mich verdutzt an.
»Ja, so von Tag zu Tag, oder wie?«
»Ich verstehe nicht?«
»Äh, das Wetter, an einem Tag ist es eiskalt und verschneit und der See ist zugefroren, und dann ist es plötzlich warm geworden und es hängen Blätter an den Bäumen.«
»So ist nun einmal das Wetter, es ist etwas unbeständig.«
»Gibt es denn da kein Muster, keine geregelte Reihenfolge?«
»Also, ich konnte bislang keine erkennen.«
»Gibt es denn keine Jahreszeiten in Beek?«
»Was meinst du mit Jahreszeiten?«
»Winter, Frühling, Sommer, Herbst?«
»Was meinst du?«
»Na ja, in meiner Welt gibt es eine verlässliche Reihenfolge, in der die Natur mit wechselnden Wetter- und Wärmekonstellationen aufwartet, einen Wetterkreislauf sozusagen. Erst ist es kalt, wir nennen das Winter, manchmal schneit es, die Bäume tragen keine Blätter. Dann wird es wärmer, die Pflanzen beginnen zu sprießen, das Leben kehrt zurück. Diese Phase nennen wir Frühling. Zur Mitte eines Jahres hin ist am wärmsten, es ist Sommer, die Sonne scheint jetzt idealerweise oft, die Menschen tragen leichte Kleidung und essen Eiscreme. Dann wird es Herbst, es regnet vermehrt, die Blätter an den Bäumen werden gelb und rot, bevor sie abfallen, die Früchte reifen. Zum Ende kehrt der Zyklus zu seinem Ursprung zurück. Die Temperaturen fallen, die Gewässer frieren zu.«
Wir kommen an einem lang gestreckten Gebäude vorbei, in dem anscheinend die Feuerwehr untergebracht ist. Vor dem geöffneten Tor steht ein großer Handwagen mit einem Schlauch und einer Spritze darauf. Schlauch und Spritze sind blau angemalt. Zwei Kinder in blauen Uniformen stehen
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