Lea und die Pferde - Das Glück der Erde (German Edition)
senkte. Eigentlich war es fast wie an der Longe, und dann ermutigte mich Wiebke auch noch, mich ruhig in der Mähne festzuhalten.
»Aber nicht dran hochziehen! Versuch mal, in den Knien mehr nachzugeben und einen Entenpo zu machen. So ähnlich wie ein Jockey. Dann geht’s leichter!«
Das war tatsächlich so. Sogar Thorsten schaffte es mithilfe dieser Anweisungen, recht passabel leicht zu traben. Aber dann hatte es Emma wohl eilig, denn plötzlich sprang sie in Galopp. Beinahe hätte ich wieder am Zügel gezogen. Bis ich merkte, dass sie nicht schneller wurde! Sie galoppierte ganz langsam und gelassen hinter Lady her. Man saß dabei viel bequemer als im Trab. Nach hundert Metern ertappte ich mich dabei, dass ichblöd wie ein Honigkuchenpferd grinste. Das sollte Reiten sein? Das war einfach nur schön!
Schließlich parierte Wiebke durch, aber diesmal machte ich einen Fehler. Ich wartete nicht einfach, bis Emma auslief, sondern nahm die Zügel auf – wieder zu fest! Erschrocken blieb Emma stehen und ich geriet fast ein bisschen in Raumnot. Schlimmer noch traf es Thorsten. Sein Hotte wurde von Emmas plötzlichem Stopp überrascht und konnte nicht schnell genug anhalten. Stattdessen überholte er und rammte dann abrupt die Beine in den Boden, als Wiebke ebenfalls anhielt, weil sie merkte, dass bei uns etwas nicht stimmte. Für Thorsten war das zu viel. Er geriet aus dem Gleichgewicht und ließ sich vorsichtshalber sofort vom Pferd fallen. Dabei passierte ihm nichts, Hotte hatte schließlich vorher schon angehalten.
Wiebke verdrehte die Augen. »Da wären wir wieder bei der Gymnastik für den Reiter«, bemerkte sie. »Ein bisschen Körperspannung musst du schon entwickeln, Thorsten. Selbst ein braves Pferd zeigt Lebensregungen. Reiten verlangt große Körperbeherrschung. Auch wenn es aussieht, als mache man da oben gar nichts.«
»Reiten ist schwer …«, murmelte ich.
Wiebke nickte. Ich dachte, sie würde lachen, aber sie blieb ganz ernst. »Damit hast du das Wesentliche begriffen, Lea«, sagte sie. »Reiten gehört zu den schwersten aller Sportarten. Es verlangt Selbstkontrolle, Technik – aber auch, wie soll ich sagen … individuellen Ausdruck, Gefühl … Nicht zu Unrecht spricht man ja nicht nur von Reitsport, sondern auch von Reitkunst. Das ist ähnlich wie beim Ballett oder beim Eiskunstlauf. Da reicht es auch nicht, einfach die Bewegungen zu beherrschen.«
»Und es ist immer Paarlauf«, dämmerte es mir. »Weil man es zusammen mit dem Pferd betreibt.«
Wiebke stimmte zu. »Wobei erschwerend hinzukommt, dass man es in diesem Fall nicht einfach mit einem menschlichen Partner zu tun hat«, erläuterte sie weiter. »Ein Pferd ist ein ganz andersartiges Wesen.«
Thorsten hatte sich inzwischen aufgerafft und wieder auf Hotte Platz genommen. »Demnach ist Reiten«, fasste er grinsend zusammen, »so etwas wie Eiskunstlauf mit einem Alien.«
Wiebke und ich mussten lachen. Aber irgendwie hatte er ins Schwarze getroffen. Plötzlich sah ich Joker als eine Art E.T., gestrandet in einer Menschenwelt und verurteilt zu einem Tanz, der ihm nicht gefiel.
Und keine Aussicht, nach Hause zu telefonieren …
Verliebt oder nicht?
G ibt diese Wiebke Reitstunden?«, fragte meine Mutter. »Ich meine … das hört sich doch viel besser an als der Unterricht im Reitstall.«
Inzwischen war der »Mutter-Tochter-Kurs« fast vorbei und Frau Witt hatte uns nahegelegt, in den Verein einzutreten. Dann war der Unterricht billiger.
Thorstens Daddy war fest dazu entschlossen. Zumindest sein Sohn sollte unbedingt weiterreiten. Er wünschte sich für ihn eine Turnierkarriere, möglichst in Heikos Fußstapfen. Ich persönlich sah da schwarz. Die Erschütterungen über einem Sprung waren eindeutig zu viel für jemanden, der schon im Stand von Hotte fiel.
Meine Mutter war dagegen nicht mehr so begeistert. Sie war in den letzten Reitstunden dreimal vom Pferd gefallen. Einmal von Buffalo, einmal von Nougat und natürlich von Allegra. Wenn ich Glück hatte, würden wir nach dem Kurs aufhören. Aber ich war mir nicht mehr so sicher, ob ich das wirklich wollte.
Ihre Frage musste ich jedenfalls verneinen. In Wiebkes Stall gab es keine Schulpferde und niemand unterrichtete. Wiebke und ihre Freunde nahmen Unterricht bei verschiedenen Lehrern, die entweder einmal pro Woche auf den Hof kamen oder bei denen sie Kurse belegten. Voraussetzung war ein eigenes Pferd.
Thorsten berichtete mir, dass Wiebke ihm angeboten hatte, auf Hotte mitzureiten,
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