Lea und die Pferde - Das Glück der Erde (German Edition)
das mit dem Treiben noch nicht herauszuhaben. Dafür probierte ich es jetzt – und war ganz überrascht, als Emma sofort zu Lady aufschloss. Zum ersten Mal ritt ich neben jemandem – und stellte fest, dass man sich beim Reiten unterhalten kann, anstatt nervös die Zähne zusammenzubeißen.
»Warum meinst du, Springen verdirbt den Charakter?«, fragte ich endlich.
Wiebke lachte. »Doch ein bisschen verliebt in den Schönling auf dem Schimmel?«, neckte sie mich.»Thorsten hat so was erwähnt, und ich befürchte, er ist eifersüchtig.«
Ich wurde rot. »Ich mein ja bloß …«, murmelte ich. »Weil … eigentlich ist Heiko ganz nett … er …«
»Er geht nur ziemlich rücksichtslos mit seinem Pferd um«, erwiderte Wiebke. »Und bei solchen Leuten habe ich immer ein schlechtes Gefühl. Meistens benehmen sie sich Menschen gegenüber nämlich auch nicht viel anders.«
»Aber was hat das mit dem Springen zu tun?«, fragte ich und biss mir auf die Lippen. Im Grunde hatte ich damit ja zugegeben, dass Heiko tatsächlich ganz schön fies sein konnte.
»Mit dem Springen direkt nichts, aber mit dem Sport«, führte Wiebke aus. »Dabei kommt es nur darauf an, irgendwie über die Hürden zu kommen. Möglichst schnell und ohne Fehler. Wie du das anstellst, interessiert keine Seele – wenn du dein Pferd nicht gleich so spornierst, dass es eine Blutspur im Parcours hinterlässt! Ein begabtes, von Profis vorbereitetes Pferd wie dieser Mariano tut dann sein Bestes, um über die Sprünge zu kommen. Schon aus Selbsterhaltungstrieb, ihm macht es ja auch keinen Spaß, in die Stangen hineinzuknallen. Das klappt natürlich nicht ewig. Irgendwann hat das Pferd genug vom Zügelzerren und davon, dass ihm der Reiter ständig in den Rücken fällt. Dann wird es verkauft und der Sprössling bekommt ein neues … Pferde als Konsumgut. Ex und hopp. Für diese Reiter sind Lebewesen Sportgeräte. Benutzen, dabei vielleicht auch kaputt machen, und wegwerfen. Und das verdirbt den Charakter!«
Ich dachte an Heiko. Und an Joker, der Walzer tanzen so gründlich gelernt hatte, dass er die allerengsten Wendungenschaffte – und groß und begabt genug war, um die Hindernisse zu springen. Jedenfalls für eine Saison …
»Aber Heiko meint, man müsse das Pferd öfter wechseln«, wandte ich ein. »Nur so lernt man reiten…«
Wiebke nickte. »Das stimmt. Deshalb kauft man sich ja auch möglichst nicht gleich ein eigenes Pferd, sondern reitet ein paar Jahre lang Schulpferde. Immer mal wieder ein anderes. Die haben natürlich auch eine Seele und selbstverständlich behandelt man sie gut und mit Respekt. Aber eine richtige, enge Beziehung hat man gewöhnlich nicht zu ihnen. Das kommt erst mit dem eigenen Pferd. Und das wechselt man dann auch nicht so leicht.«
Sie zauste Ladys Mähne und warf Hotte einen zärtlichen Blick zu.
»Aber die Mädchen in meiner Schule sind ständig verliebt in irgendein Schulpferd«, gab ich wieder zu bedenken. »Kriegen die auch alle einen schlechten Charakter?«
Wiebke musste lachen. »Nein, bestimmt nicht. Aber zwischen ›verlieben‹ und ›lieben‹ ist ein Unterschied. Heute bis du in Heiko verliebt, gestern womöglich in diesen Drummer ›Hotte‹ …«
»Bassgitarristen«, verbesserte ich und dachte an Nico Chico.
»… und morgen ist vielleicht Thorsten dran …« Sie zwinkerte mir zu.
Nie im Leben, dachte ich.
»Aber das ist alles nichts für ewig«, erklärte Wiebke. »Wenn ich dagegen ein Pferd kaufe …«
Thorsten hatte seinen Namen gehört, energischer getrieben und war zu uns aufgeschlossen. Jetzt verdrehte er die Augen.
»Warum sagst du nicht gleich adoptieren? Wie bei kleinen Katzen?«, brummte er.
Wiebke lachte wieder. »Sagt man das jetzt bei kleinen Katzen? Sehr treffend. Jedenfalls, wenn ich ein Pferd zu mir nehme, dann ist das fürs Leben …«
Thorsten kicherte. »In guten und bösen Tagen, in Reichtum und Armut, in Gesundheit und Krankheit, bis dass der Tod uns scheidet …«
Wiebke nickte. »Genauso. Vor allem die Tierarztkosten sollte sich jeder Pferdekäufer rechtzeitig vor Augen führen. Aber du brauchst einen Dämpfer. Wollen wir mal traben?«
Das dämpfte meine Begeisterung auch gleich wieder. Aber Emma erwies sich im Trab als ebenso unerschütterlich wie im Schritt. Ihre Bewegungen waren weicher als die der meisten Schulpferde, und es war viel einfacher, leicht zu traben, wenn man dabei nicht aufpassen musste, dass sein Pferd dem Vorderpferd auflief oder den Kopf zum Buckeln
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