Lea und die Pferde - Das Glück der Erde (German Edition)
für Pferde«, sagte er. »Und es steht auch in allen möglichen Büchern. Aber wozu soll das gut sein? Dass die Viecher nicht dick werden?«
»Ein sehr positiver Nebeneffekt!«, erwiderte Wiebke und lachte wieder. »Darüber solltest du auch mal nachdenken. Aber bei Pferden heißt es nicht ›Gymnastik‹ sondern ›Gymnastizierung‹, und das bedeutet im Grunde, ein Pferd fit für seinen Job zu machen. Man bringt ihm bei, den Reiter zu tragen.«
»Aber das können sie doch schon!«, wunderte ich mich. »Ich meine … im Film setzen die Leute sich einfach drauf und dann werden sie ein paarmal runtergebuckelt. Aber danach gehen die Pferde ganz normal.«
Wiebke verdrehte die Augen. »Also wenn ich Thorsten so höre, bocken die Wienberger Schulpferde euch heute noch ab. Aber das hat mit ›Fitmachen fürs Reiten‹ nichts zu tun. Mal ganz abgesehen davon, dass man normale Pferde heute langsam an Sattel und Reiter gewöhnt. Stellt es euch mal so vor: Da drüben steht ein Sack Katzenfutter. Acht Kilo. Könnt ihr den heben?«
Wir bejahten. Um das Zeug zu stemmen, brauchte man nun wirklich kein Hanteltraining.
Wiebke nickte. »Aber nun stellt euch mal vor, ihr solltet mit diesem Gewicht zehn Kilometer wandern. Oder gar einen Walzer tanzen. Dann sähe es schon anders aus. Ihr müsstet euch zum Beispiel Gedanken darüber machen, wie ihr das Ding am besten befördert. Ein Rucksack wäre dabei geeigneter als eine Tragetasche.Und der Rucksack sollte gepolsterte Gurte haben, damit sie nicht einschneiden. Ihr müsstet auch zu einer richtigen Traghaltung finden. Und das Gewicht sollte gleichmäßig verteilt werden. Wenn alles nach rechts oder links hängt, bekommt ihr Rückenschmerzen. Zu guter Letzt müsstet ihr noch trainieren, wirklich lange mit der Last unterwegs zu sein. Einmal hochheben ist nichts, aber zehn Kilometer werden lang.«
Mir ging ein Licht auf. »Mit dem Pferd ist es genauso!«
Wiebke lächelte. »Richtig. Es braucht einen Sattel, der das Gewicht ordentlich verteilt und nicht drückt. Einen Reiter, der im Gleichgewicht sitzt. Und schließlich intensives Training, um auch über längere Zeit und in allen Gangarten mit dem Gewicht fertig zu werden. Das, vereinfacht gesagt, bewirkt Gymnastizierung. Das Pferd lernt die richtige Traghaltung, indem es mit euch Walzer tanzt. Nur nennt man es in unserem Fall ›Dressur reiten‹. So, die Pferde sind sauber genug. Willst du wirklich nicht reiten, Lea? Sonst müssen wir uns nämlich was überlegen. In den Sachen kannst du nicht aufs Pferd, da reitest du dir die Waden auf.«
Ich war unschlüssig. Eigentlich reichte mir die Zitterpartie am Dienstag. Aber jetzt hatte ich Emma schon gestriegelt und sie war nett. Und Thorsten schien sich aufs Reiten zu freuen, er hatte seinen Hotte bereits gesattelt.
»Sie kann meine Stiefel haben!«, rief ein Mädchen aus dem Auslauf. »Ich wollte sowieso nur Longieren, das kann ich auch in Turnschuhen. Und sie müsste ungefähr meine Größe haben.«
Die Plastikreitstiefel – die von der teuren, gefütterten Sorte – passten mir tatsächlich. Vielleicht trugen sie aufden nackten Waden etwas auf, aber das war mir egal. Ich wollte jetzt wissen, ob hier wirklich alles anders war.
Eine Reitkappe fand sich auch noch im Stall und Wiebke half mir mit der Trense. Dann führten wir die Pferde auf den Hof. Ich suchte nach einer Reithalle oder wenigstens einem Außenplatz, aber Wiebke schüttelte den Kopf.
»Das Wetter ist viel zu schön zum Kringelreiten. Und ihr solltet auch erst mal Vertrauen zu den Pferden aufbauen. Allein wie ihr sie führt – als ob es Handgranaten wären!«
»Sind es ja auch oft!«, verteidigte ich mich. »Wenn sie erschrecken …« Erst vorletzte Woche war Buffalo neben mir explodiert, als ich ihn in die Halle führte und Thorsten hinter uns über den Stallbesen stolperte. Beinahe wären Buffalos Hufe auf meinen Füßen gelandet.
»Hotte und Emma erschrecken nicht. Sonst würde ich keine Anfänger draufsetzen. Für den Anfängerunterricht braucht man bierruhige Pferde. Aber leider scheint das in eurem Reitstall noch nicht angekommen zu sein. Allerdings liegt es natürlich auch an der Haltung. Wenn ich den ganzen Tag in einem dunklen Stall stehen müsste, hätte ich auch schlechte Laune!«
Wiebke half uns, die Steigbügel zu verstellen. Hotte und Emma standen dabei nebeneinander wie in Stein gemeißelt. Ich fühlte mich ganz schön mulmig, als ich schließlich in den Sattel stieg. Ich saß auf einem Pferd! Und
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