Leander und der tiefe Frieden (German Edition)
Amrum
hindurch auf die Sandbank weit draußen vor dem Amrumer Kniepsand zusteuerten,
nahm Leander Erik Petersen zur Seite.
»Ich habe über alles nachgedacht, was du neulich gesagt hast«,
erklärte er.
Erik Petersen blickte ihn fragend an.
»Du hast erzählt, dass sich mein Großvater mit seinem Geld
anonym für Flüchtlingskinder engagiert hat. Und du sagtest, es gebe Dinge, die
man nicht unbedingt öffentlich machen müsse, man könne sie auch nutzen, um
Gutes zu tun. Jedenfalls habe ich dich so verstanden.«
Erik Petersen nickte, schwieg aber weiterhin abwartend.
»Ich finde, du hast recht. Das Einzige, das die alten Männer,
dein Bruder Hauke und Geert Jessen zu verlieren haben, ist ihr guter Ruf,
richtig? Außer billiger Rache habe ich nichts davon, wenn ich den zerstöre. Sie
sollen ihn ruhig behalten, aber sie sollten ihn sich etwas kosten lassen. Was
hältst du davon, wenn wir eine Stiftung gründen? Die Heinrich-Leander-Stiftung
könnte sich um Flüchtlingskinder kümmern, und wir beide sollten diese Stiftung
leiten – du als Justitiar und Sohn eines Fluchthelfers, ich quasi
stellvertretend für meinen Vater. Ich habe das Gefühl, wir sollten da
weitermachen, wo du und mein Vater damals aufgehört haben, nur diesmal klüger
und nicht so ideologisch verbohrt. Und die Mittel dazu haben wir jetzt ja
wohl.«
Erik Petersen reichte Leander die Hand und lächelte zufrieden.
»Abgemacht, Partner. Ich wusste gleich, als ich dich kennengelernt
habe, dass du einen guten Entschluss fassen würdest, von dem alle etwas haben.
Aber die Verhandlung mit den Alten überlässt du mir. Ich werde den letzten Cent
aus ihnen herausquetschen, damit wir auch ein Stiftungskapital haben, mit dem
sich arbeiten lässt. Der Gedanke, dass die Stiftung nur nach Hinnerk benannt
ist und nicht nach den anderen alten Herren, wird ihnen Strafe genug sein.«
»Einverstanden. Fünfzig Prozent der Gewinne aus meinen
Immobilienanteilen gebe ich dazu. Der Rest reicht, um auf Dauer hier leben und
ehrenamtlich für die Stiftung arbeiten zu können.«
Eiken, die unbemerkt nähergetreten war, stupste Leander in die
Seite.
» Die schöne Mörderin , wie? Dann war mein Tipp ja im
wahrsten Sinne des Wortes Gold wert.«
»Anscheinend gibt es doch so etwas wie ein richtiges Leben im
Falschen«, kommentierte Lena.
Eriks fragende Blicke beantwortete sie leichthin mit einem
»Nicht so wichtig.«
»Der Schritt ist mir nicht leichtgefallen«, bekannte Leander.
»Aber was brächte es, wenn ich die Ermittlungsbehörden auf die alten Männer
hetzte? Die Straftaten sind verjährt, der Mord nicht nachweisbar. So hat
wenigstens noch jemand etwas davon, und wenn wir gut wirtschaften, können wir
vielen Menschen helfen und den guten Ansatz unserer Großväter und Väter
fortsetzen. Ich vertraue da auf Eriks Expertise.«
»Hast du übrigens gehört, dass Geert Jessen nicht mehr auf Föhr
ist?«, fragte Erik Petersen. »Sein Vater hat ihn aus der Schusslinie genommen
und in die USA geschickt. Er geht davon aus, dass die Immobilienkrise dort
schnell zu Ende sein wird. Offiziell soll Geert die Gunst der Stunde nutzen und
die Rosinen aus dem zusammengebrochenen Markt aufkaufen. Für Föhr ist er
jedenfalls untragbar geworden.«
Mephisto legte Leander eine Hand auf die Schulter und fragte:
»Du denkst ja hoffentlich an unseren Skatabend heute?«
»Ich weiß nicht«, entgegnete Leander. »Hältst du das an so
einem Tag für angemessen?«
»Mein Lieber, man darf über den Tod das Leben nicht vergessen.
Also, zwanzig Uhr im Kleinen Versteck . Wir verlassen uns auf
dich.«
Die Kutter umrundeten inzwischen Wittdün und den Kniepsand, der
sich von hier entlang der Insel Amrum zog. In einiger Entfernung war der
Leuchtturm in den Dünen zu sehen. Sie ließen ihn rechts liegen und fuhren
hinaus zu den vorgelagerten Sandbänken, auf denen vereinzelt und in Gruppen
Seehunde lagen und in der Wintersonne dösten.
Dort formierten sich die drei Kutter zu einem Dreieck, und die
Beerdigungsgäste stellten sich jeweils an der nach innen liegenden Reling auf.
Leander nahm die Urne aus der Tasche und hielt sie vor sich.
»Lieber Hinnerk«, begann er, dachte kurz nach und verbesserte
sich dann: »Lieber Großvater! Du hast dein ganzes Leben auf dem Meer verbracht,
hast vom Meer gelebt und mit Hilfe des Meeres Menschenleben gerettet. Du hast
allen Stürmen getrotzt, doch zuletzt hat der Blanke Hans dich besiegt, und ich
finde, das ist gut und angemessen so. Du bist gestorben,
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