Leandra - Die Amazonenprinzessin (German Edition)
umbringen lassen?“, rief Leandra, die endlich den Schock überwand.
„Du hättest ihn besiegen können, wenn du es gewollt hättest.“
„Ich habe dir gesagt, was ich will!“ Nach diesen Worten stürmte Leandra aus dem Thronsaal. Keiner hielt sie auf, als sie die Gänge zu ihrem Zimmer lief. Die Prinzessin schmiss die Tür hinter sich zu, und Tränen stiegen ihr in die Augen. Oh, Enos, manche Geschehnisse stehen fest, und wir können nur den Zeitpunkt beeinflussen . Wie sollte ihre Mutter sie jemals verstehen, wenn sie ihr noch nicht einmal zuhörte? Enos hatte recht, sie war keine Amazone. Leandra wischte die Tränen fort. Ich kann nicht länger hier bleiben , dachte die Prinzessin. Sollte sie einfach ihre Sachen packen und davonlaufen? Das würde den Stolz ihre Mutter noch mehr verletzen. Sie blickte an sich herunter. Bestimmt würde Königin Neria sie noch einmal sehen wollen, und ihre Kleidung war noch immer vom Schwimmen feucht, also zog Leandra sich um.
„Prinzessin“, ertönte eine Stimme von der anderen Seite der Tür, und Leandra zuckte zusammen. Die Stimme gehörte Akrissa, der zweitmächtigsten Frau im Reich. Sie verachtete Leandra und würde versuchen, den Rest ihrer Selbstsicherheit zu zerstören. Warum hatte ihre Mutter nicht Farina geschickt?
„Prinzessin Leandra, öffnet die Tür.“
Sie wird auf jeden Fall hereinkommen , dachte Leandra und befolgte die Aufforderung. Anstatt einzutreten, blieb Akrissa im Türrahmen stehen. Im Gegensatz zu Neria war sie nicht schön. Eine Hakennase dominierte ihr Gesicht und erinnerte Leandra an einen hungrigen Geier, und in ihren grauen Augen war nichts Warmes.
„Kommt mit.“
Ohne ein weiteres Wort folgte sie Akrissa. Die Amazone führte sie nicht wie erwartet zu ihrer Mutter, sondern in den Palasthof, wo ein gesatteltes Pferd stand. Da Leandra jedes Pferd im Stall kannte, sah sie, dass es Utan war. Auf dem falbfarbenen Wallach hatte sie reiten gelernt. Seit die Prinzessin Balima besaß, ritt sie ihn nur noch selten. Die Satteltaschen waren gefüllt, und über den Knauf lag ein dunkelgrauer Mantel.
„Was hat das zu bedeuten?“
„Eure Mutter hat Euch verstoßen.“
„Nein, das würde-“ Die Prinzessin hielt inne. Einen Befehl der Königin nicht nachzukommen, war Verrat. Sie hatte sich geweigert, gegen den Vohraner zu kämpfen. Und hatte ihre Mutter ihm nicht erlaubt, sie zu töten? Leandra unterdrückte ein Zittern.
Nun lächelte Akrissa, und die kalten, grauen Augen spiegelten Triumph.
„Ja, unsere Königin würde ihr Gesicht verlieren, wenn sie dein Verhalten länger dulden würde.“
Leandra war es gleich, dass sie ihren Titel verlor, aber sie wollte nicht so gehen. Sie wandte den Kopf und blickte zum Flügel, in dem ihre Mutter lebte.
„Ich möchte mich von ihr verabschieden.“
„Verlass uns wenigstens aufrecht wie eine Amazone“, zischte Akrissa, und Leandra zuckte zusammen. Dann griff sie nach Utans Zügeln und schwang sich in den Sattel.
„Reite, Leandra, von nun an sind wir nicht mehr dein Volk. Wenn du deiner Jägerin entkommst, kannst du ein friedliches Leben führen. Das ist doch, was du wolltest.“
Nein , dachte Leandra, aber das spielt keine Rolle mehr . Sie drückte die Beine an den Pferdeleib und galoppierte los.
Zufrieden beobachtete Akrissa, wie Leandra durch die Eingangspforte des Palastes galoppierte. Nie wieder würde sie zurückkommen. Wer hätte gedacht, dass es so leicht sein würde, Nerias Tochter loszuwerden? Akrissa unterdrückte ein Lachen. Jetzt war sie ihrem Ziel nahe, und die verschlagende Amazone setzte eine traurige Miene auf, als sie in den Palast zurückkehrte.
Leise trat Akrissa in das Arbeitszimmer der Königin. Vor kurzer Zeit fand hier ein heftiger Streit statt, nun herrschte völlige Stille. Mit gesenktem Kopf stand Atima neben der Tür, und Farina hielt Neria in den Armen. Ein Augenblick wie geschaffen für ein Gemälde , dachte Akrissa. Es sollte den Titel tragen: Trauer um eine tote Königin .
Wie erwartet hatte Königin Neria Farina in ihrem letzten Atemzug zu ihrer Nachfolgerin ernannt, aber Akrissa glaubte, dass die rothaarige Amazone einen anderen Weg beschreiten würde, wenn sie den Schock überwand.
„Farina“, sagte Akrissa leise, und Tehunas beste Kriegerin hob den Kopf. In ihren dunklen Augen lagen tiefer Schmerz und Unglauben.
„Wie ist es möglich, dass Neria tot ist? Sie hat sich sehr aufgeregt, aber das Herz einer Frau in ihrem Alter kann doch nicht einfach aufhören zu
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