Leaving Paradise (German Edition)
ein Krampfanfall hat heute seine hässliche Fratze gezeigt.
Ich höre Rockmusik aus einem Fenster von Brians Haus schallen und hole tief Luft. Das heißt, es wird getanzt. Tanzen beinhaltet, sich durch den Raum zu bewegen und mit Leuten zusammenzustoßen. Was ist, wenn ich hinfalle? Oder schlimmer, wenn ich nicht wieder hochkomme und die anderen über mich lachen?
Als wir an der Haustür sind, bin ich kurz davor, schnellstens nach Hause zu flüchten und mich in meinem Zimmer zu verstecken, bis ich nach Spanien gehe. Aber Sabrina öffnet begierig die Tür, ehe ich den Rückzug antreten kann.
Als wir die Eingangshalle betreten, reagiere ich megasensibel und bin mir nur zu bewusst, dass sämtliche Blicke auf mich gerichtet sind. Ein Schauer läuft mir über den Rücken. Könnte es sein, dass ein Pickel von der Größe eines Avocadokerns auf meiner Nase wächst? Hinke ich so stark? Oder saugen sie meinen Anblick nur auf, um etwas zu tratschen zu haben? So oder so stehe ich nicht gern im Mittelpunkt. Ich würde so ziemlich alles tun, um für immer mit dem Hintergrund zu verschmelzen.
»Hey, Leute, Maggie Armstrong ist von den Toten auferstanden!«, ruft ein Typ vom Footballteam.
»Ich habe gehört, Caleb Becker ist auch wieder da«, brüllt ein Typ namens Ty.
»Das habe ich auch gehört«, sage ich schlagfertig, obwohl ich mich überhaupt nicht danach fühle. Ich kann mich nicht verstecken. Ahnen sie, dass ich es gern würde? »Ist doch kein Ding.« Ich bin überrascht, dass ich die Worte herausbekomme. Mein Hals ist wie zugeschnürt.
»Aber er hat dich fast umgebracht«, sagt jemand anders. Ich weiß nicht, wer es gesagt hat. Die Menge ist zu einer verschwommenen Masse geworden. Ich glaube, ich könnte nicht einmal mehr tief Luft holen, wenn ich es wollte.
»Das ist ein Jahr her. Ich bin darüber hinweg.« Schluck. Tapfer zu sein ist nicht so einfach, wie es aussieht. Besonders dann nicht, wenn dein Herz schneller schlägt als der wummernde Beat der Musik, die jetzt nur noch den Hintergrund bildet. Feierlaune-Musik.
»Wie kannst du drüber weg sein? Hast du nicht vier Monate oder länger in einem Rollstuhl gesessen?«
Einhundertunddreiundzwanzig Tage um genau zu sein, aber wer zählt die schon? »So ungefähr.«
»Leute, lasst ihr Raum zum Atmen.« Ich wende mich der Stimme zu. Es ist Kendra. Calebs Exfreundin. Wir verkehrten früher in denselben Cliquen, haben uns aber nie besonders nahe gestanden. Sie erinnert mich an eine Plastikpuppe. Zu meiner Überraschung packt sie mich am Arm und zerrt mich mit sich auf die hintere Veranda. So wie ich hinke, kann ich kaum mit ihr mithalten, ohne über meine eigenen Füße zu stolpern, aber das scheint ihr entgangen zu sein. Oder egal.
»Hast du ihn schon gesehen?«, fragt sie flüsternd.
Einen Moment lang bin ich verwirrt. Kendra ist beliebt, jemand, den niemand zu ignorieren wagt. Aber ich bin nicht wirklich hier, oder? Klar, mein Körper ist anwesend. Doch mein inneres Gleichgewicht ist zu Hause geblieben, in meinem Zimmer, wo ich mich vor der Vergangenheit und den Erinnerungen an den Unfall verstecken kann.
Kendra schüttelt mich und ich bin zurück auf der Party.
»Hast du ihn gesehen?«, fragt sie. So wie sie mich ansieht, könnte man meinen, Pfeile schössen aus ihren Augen.
»Wen?«
Sie ist genervt, ihre blonden Locken tanzen bei jeder Bewegung ihres Kopfes und unterstreichen ihre Stimmung wie Ausrufezeichen. »Caleb.«
»Nein.«
»Aber er wohnt direkt neben dir«, sagt sie fast verzweifelt, ihre Augen verengen sich zu schmalen Schlitzen.
»Na und?« Also schön, Kendra und ich hatten nie wirklich einen Draht zueinander. Sie weiß es, ich weiß es. Nicht sehr viele andere wissen davon; wir waren sehr gut darin, so zu tun, als sei zwischen uns alles bestens. Jetzt kommt es mir so vor, als ließe ich sie abblitzen – da sie Infos von mir fordert, von denen sie meint, dass ich sie hätte. Aber ich habe sie nicht, daher bleibt mir noch nicht einmal die Genugtuung, diese Infos vor ihr zurückzuhalten.
Brian steckt seinen Kopf durch die Verandatür. »Kendra, was machst du da draußen? Komm rein und bewahre mich davor, Flaschendrehen spielen zu müssen.«
Kendras Blick wandert von mir zu Brian und wieder zurück. »Ich komme«, sagt sie, wirft die Haare mit der ihr typischen Kopfbewegung über die Schulter und geht ins Haus. Ich bleibe allein zurück. Draußen.
Ich komme gut damit klar, allein zu sein. Ich bin daran gewöhnt, allein zu sein. Allein zu
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