Leaving Paradise (German Edition)
acht. Meinst du nicht, Mr Reynolds wird sauer, wenn du eine halbe Stunde zu spät kommst?«
Sie lächelt, ihre Begeisterung hat durch meine Frage keinen Dämpfer erlitten. »Süße, ich bleibe bei dir, bis Sabrina dich abholt.«
Mein Magen fällt bis in die Knie. »Warum?«
»Weil es mich so glücklich machen wird mitanzusehen, wie du endlich wieder losziehst und Spaß hast.«
Ich spüre den Druck, der sich in mir aufbaut und mir den Atem raubt.
Dann ziehe ich das Veloursoutfit an und Mom strahlt wie tausend Watt, sobald sie einen Blick auf mich geworfen hat. »Oh, Liebling, du siehst wunderschön aus. Rosa passt so gut zu deinem olivefarbenen Teint.«
Ich muss zugeben, dass das Outfit wunderschön ist. Aber ich bin es nicht. Auch wenn die Hose meine abartigen Narben verdeckt, kann kein Geld der Welt ein Outfit herbeizaubern, welches das unbeholfene Hinken in meinem Gang verbirgt. Nachdem Mom mir dabei zugesehen hat, wie ich mein glanzloses, langweiliges braunes Haar gebürstet habe, finde ich mich an der Haustür wieder, wo ich auf Sabrina warte.
»Ich habe dir ein paar Nummern aufgeschrieben, für den Fall, dass etwas sein sollte.« Sie reicht mir ihr Handy und einen Zettel. »Die erste auf der Liste ist die vom Diner, die zweite die von Tante Pam, die dritte ist Dr. Gerrards Notrufnummer und die vierte 911.«
Bilder von Spanien schießen mir durch den Kopf. Sie behandelt mich, als wäre mein Kopf ebenso kaputt wie mein Knie. »Komm schon, Mom. 911? Die Nummer ist seit dem Kindergarten in mein Hirn gebrannt.«
»Menschen vergessen andauernd Nummern, wenn sie unter Stress stehen, Maggie.«
Ich öffne meine Handtasche von Wal-Mart und schiebe den Zettel hinein. »Es wird alles gut gehen«, versichere ich ihr, obwohl ich mir da selbst nicht so sicher bin.
»Ich weiß. Ich möchte nur, dass du glücklich bist. Und in Sicherheit. Aber wenn dein Bein wehtut oder du früher nach Hause möchtest, höre ich auf zu arbeiten und komme dich holen.«
Plötzlich geht mir ein Licht auf, warum sie so viel Aufhebens um mich macht wie um ein Neugeborenes. »Du hast erfahren, dass Caleb heute wiederkommt, oder?«
Ihr Reh-im-Schweinwerfer-Blick ist nur schwer zu übersehen. »Es könnte sein, dass es jemand gestern im Diner erwähnt hat.«
Ich stöhne auf und ächze: »Mooomm.«
»Denk einfach nicht daran, Süße. Guck einfach in die andere Richtung und tu so, als ob es die Beckers nicht gäbe.«
Ich schätze, das hier ist nicht der geeignete Zeitpunkt, zu erwähnen, wie sehr ich meine ehemals beste Freundin vermisse, die zufällig eine dieser Beckers ist. Draußen ertönt eine Autohupe. Es ist Sabrina.
»Geh schon«, sagt Mom. »Und ruf an, sobald du da bist, damit ich weiß, dass es dir gut geht, selbst wenn du meinst, deine Mutter wäre überfürsorglich und uncool.«
Ich gehe aus dem Haus und versuche, in Gedanken die Tage zu zählen, bis ich nach Spanien aufbreche. Ich glaube, es sind noch einhundertundachtzehn. Was ungefähr einhundertsiebzehn zu viel sind. Als ich mich auf den Beifahrersitz von Sabrinas Auto setze, sagt sie: »Nettes Outfit.«
Sabrina weiß nur zu gut, wie sehr wir finanziell zu kämpfen haben und dass wir uns solche extravaganten Designerklamotten eigentlich gar nicht leisten können. Vor zwei Jahren ist mein Dad zu einer Geschäftsreise nach Texas aufgebrochen. Es sollte für vier Wochen sein. Er versuchte eine Gruppe von Finanzinvestoren davon zu überzeugen, ihre Produktion von digitalen Computerchips nach Paradise zu verlegen. Sie lehnten seinen Vorschlag ab, boten ihm aber eine Stelle an, bei der er als Berater für sie durch das ganze Land reisen muss.
In den letzten drei Jahren war mein Vater genau dreimal in Paradise. Einmal, um meine Mutter um die Scheidung zu bitten, einmal, um zu verkünden, dass er wieder heiraten würde, und das letzte Mal habe ich ihn kurz nach meinem Unfall gesehen. Er blieb eine Woche, dann fuhr er wieder. Er sagt, er sei glücklich und wünsche sich, dass ich ihn in seinem neuen Zuhause besuchen komme, aber er macht nie konkrete Vorschläge oder legt sich auf ein Datum fest. Ich war nicht mal auf seiner Hochzeit.
»Danke.« Ich streiche ein weiteres Mal mit den Fingern über das weiche Material der Hose.
Und das ist unsere ganze Unterhaltung, bis Sabrina am Straßenrand parkt und wir auf Brian Newcombs Haus zugehen.
»Was ist los?«, fragt Sabrina. »Du hinkst schlimmer als sonst. Ich dachte, deinem Bein ginge es besser.«
»Das tut es ja auch.« Aber
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