Leaving Paradise (German Edition)
?«, frage ich.
»Mein Mumu. Zieh es an. Es wird deine Kleidung sauber halten.«
»Mrs Reynolds, das kann ich nicht anziehen.«
»Wieso nicht?«
Mrs Reynolds umklammert das Mumu, ein großes, hässliches hawaiisches Hauskleid. Mein Selbstbewusstsein ist auch so schon angekratzt genug, ohne dass ich etwas trage, das aus dem Schrank meiner Großtante Henriette stammen könnte.
»Es … es hat nicht meine Größe«, sage ich lahm.
»Stell dich nicht an. Mumus passen jedem. Eine Größe für alle. Zieh es an.«
Widerwillig nehme ich das Mumu und schlüpfe hinein. Das Kleid hängt wie ein Zelt an mir.
Mrs Reynolds tritt einen Schritt zurück und mustert mich. »Perfekt.«
Ich schenke ihr ein schwaches Lächeln.
»Okay, lass uns an die Arbeit gehen.«
Die nächsten vierzig Minuten weist Mrs Reynolds mich an, wie groß ich die Löchern graben soll, wie viel zusätzliche Erde ich benötige, um den Blumenzwiebeln am Boden des Lochs ein Bett zu bereiten, und wie ich die Zwiebeln am besten pflanze – nicht in Reihen sondern verstreut mit zehn Zentimetern Abstand dazwischen.
Ich habe angefangen zu schwitzen und fürchte, Mrs Reynolds legt gerade erst los. Aber ich würde alles tun, um diesen Job zu behalten. Wenn es bedeutet, die nächsten Wochen Betten für ihre kostbaren Blumenzwiebeln zu schaffen, bis kälteres Wetter uns in die Knie zwingt, ist das wunderbar. Ich werde mit allem fertig, wenn ich am Ende genug Geld verdiene, um von hier wegzukommen.
Ich setze mich auf die Fersen zurück und wische mir den Dreck mit dem Ärmel meines Mumus aus dem Gesicht. »Was ist das da drüben?«, frage ich und zeige auf einen Haufen Bauholz.
»Der Gartenpavillon, der nie gebaut wurde.«
»Ich war letztes Jahr im Botanischen Garten in einem Pavillon«, sage ich, während ich mir einen riesigen Pavillon in der Mitte des Gartens vorstelle. »Er hat mich an die Szene aus The Sound of Music erinnert, wo Liesls Freund Sixteen Going on Seventeen für sie singt.«
Mrs Reynolds sieht den Holzstapel sehnsüchtig an. »Nun, ich fürchte das Holz wird wahrscheinlich immer noch da liegen, wenn ich längst tot und begraben bin.«
»Sie sollten unbedingt jemanden anheuern, der Ihnen den Pavillon baut«, ermuntere ich sie begeistert. »Ich sehe ihn schon vor mir, mit einem spitzen Dach und allem.«
»Lass uns eine Pause machen«, sagt sie. »Kein Gerede mehr über den Pavillon, der nie gebaut werden wird.«
Ach ja, das hatte ich ganz vergessen. Kein sinnloses Geplapper für Mrs Reynolds.
Seit dem Unfall ist das Aufstehen nicht leicht für mich. In ein Mumu gehüllt zu sein, macht es noch sehr viel schwieriger. Vor allem, weil ich das Bein erst mal vor mir ausstrecken muss, um hochzukommen.
»Was tust du da?«
»Aufstehen.«
Mrs Reynolds wedelt mit den Händen, als könnten ihre Gliedmaßen sprechen. »Normalerweise beugen die Leute ihre Beine, um aufzustehen.«
»Ich kann mein Bein nicht beugen.«
»Wer sagt das?«
Ich drehe mich um und sehe Mrs Reynolds ins Gesicht. Macht sie Witze? Ich bin eindeutig ein Krüppel. Okay, nicht wirklich ein Krüppel. Aber ich bin von einem Auto angefahren worden. Ich werde nie mehr dieselbe sein.
»Du beugst dein Bein, wenn du läufst. Ich begreife nur nicht, wieso du es nicht auch beugen kannst, wenn du aufstehst, das ist alles«, sagt sie.
Ich stehe endlich, hole tief Luft. Ich würde zu gern etwas entgegnen, aber ich kann nicht. Mrs Reynolds ist der erste Mensch seit über einem Jahr, der mich behandelt, als wäre nichts falsch mit mir. Es ist erfrischend und frustrierend zugleich.
17 Caleb
Mom klopft Samstagabend an meine Tür, bevor sie zum diesjährigen Herbstfestival aufbricht.
»Bist du sicher, dass du nicht mitkommen möchtest, Caleb? Es wird bestimmt lustig«, ruft sie durch die geschlossene Tür.
Klar doch. »Ich bin mir sicher.«
»Leah kommt auch mit.«
Wie zum Teufel hat Mom das hingekriegt? Leah haust in ihrem Zimmer wie ein Bär im Dauerwinterschlaf. Ich glaube, ich habe auf den Schulfluren mehr von ihr zu sehen bekommen als hier zu Hause. »Ich werde hierbleiben und was abhängen«, sage ich. Ich werde auf gar keinen Fall auf das Fest gehen und zu einer Hauptattraktion mutieren.
Mom öffnet jetzt die Tür und steckt ihren Kopf ins Zimmer. »Dein Vater und ich möchten gern, dass du dich dort blicken lässt. Dr. Tremont und seine Frau werden da sein. Dein Dad ist auf Empfehlungen angewiesen. Zieh eins der neuen Outfits an, die ich dir gekauft habe, und präsentiere
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