Leaving Paradise (German Edition)
»Also …« sagt sie und wirbelt in einem Designerkleid um die eigene Achse. »Was hältst du davon ?«
Ich bin damit beschäftigt, die Magna Carta zu lesen. »Ich darf diese Arbeit nicht verhauen, Kend.«
Sie stemmt die Hände in die Hüften und zieht einen Schmollmund. »Ich schwöre, du widmest den Mädchen in der Schule mehr Aufmerksamkeit als mir.«
Ich gucke von meinem Buch hoch. »Machst du Witze?«
»Nein. Samantha Hunter hechelt dir in Sport hinterher und du fällst darauf rein. Und ich habe gehört, Emily Steinway und du habt euch in Bio bestens unterhalten.«
»Ich habe nicht mehr als zwei Worte mit Samantha gewechselt, Kend. Und Emily und ich sind Biopartner. Was soll das? Spionierst du mir etwa nach? Ich würde liebend gern allen erzählen, dass wir wieder zusammen sind. Du bist diejenige, die unsere Beziehung so verdammt geheim halten will.«
Diese Woche haben wir uns im Naturschutzpark getroffen, unter der Zuschauertribüne der Schule, und vorhin musste ich ihr Haus durch die Hintertür betreten, damit ihre Nachbarn mich nicht reinkommen sehen. Ich habe die Heimlichtuerei satt.
»Ich habe dir doch erzählt, dass mein Vater vor der Wiederwahl steht, Caleb. Seine Tochter darf nicht mit einem Exsträfling gesehen werden.«
Das kommt ihr so leicht über die Lippen. In ihrer Stimme ist nicht die Spur einer Entschuldigung oder eines Zögerns zu hören, als sie das Wort Exsträfling raushaut. »Ich muss los«, sage ich und schlage mein Geschichtsbuch zu.
Sie kommt auf mich zu, legt ihre Hand auf meine Brust. »Geh nicht. Ich sorge dafür, dass es sich für dich lohnen wird.«
»Wovon redest du?«
Sie streift langsam den Spaghettiträger von ihrer Schulter, enthüllt nackte Haut. Kurz darauf hat sie sich das Kleid ausgezogen und steht in einem schwarzen Spitzen— BH und passendem Höschen vor mir.
Mein Blick wandert über ihre cremeweiße Haut. Verflucht, ja, ich will es. Aber sie verhält sich nicht wie meine Freundin. Sie muss sich nicht ausziehen, damit ich hierbleibe. Sie muss nicht ihren Körper benutzen, um mich an sich zu binden. Das ist alles so krank. »Kendra …«
Sie macht einen Schritt auf mich zu und legt ihren Finger auf meine Lippen, um mich am Reden zu hindern. »Schhh, ich höre meine Eltern im Flur«, flüstert sie.
Verdammt.
Klar klopft eine Sekunde später jemand an die Tür. »Kendra, bist du zu Hause?«, fragt ihre Mutter durch die Tür.
»Äh, ja«, sagt Kendra laut und hebt das abgelegte Kleid vom Boden auf. »Geh in den Wandschrank, Caleb«, flüstert sie.
Es kann nicht wahr sein, dass das gerade passiert. »Ich verstecke mich nicht in deinem Wandschrank«, sage ich. Ich werde mich auf gar keinen Fall noch einmal einsperren lassen, selbst wenn es sich um den Wandschrank meiner Freundin handelt und nicht um eine Zelle.
»Schhh. Sie hören dich noch.«
Ihre Mom klopft erneut und sagt: »Mit wem redest du da? Kendra, mach die Tür auf.«
Kendra beeilt sich, ihr Kleid wieder anzuziehen. »Mit niemandem, Mom. Das ist bloß das Radio. Ich ziehe mich jetzt an. Ich bin in einer Minute unten, okay?«
»Beeil dich. Senator Boyle ist extra den ganzen Weg mit hierhergekommen, um dich kennenzulernen«, sagt ihre Mom. Dann höre ich Schritte, die sich von der Tür entfernen.
»Wann wirst du ihnen sagen, dass wir zusammen sind?«, frage ich Kendra. »Nach der Wahl?«
»Können wir das ein andermal besprechen?«, flüstert sie, während sie ihr Aussehen rasch im Spiegelbild überprüft. Ich beobachte, wie sie ungeheure Mengen Lipgloss aufträgt. Kirscharoma wabert zu meinen Nasenlöchern und ich frage mich, wie lange ich es noch aushalte, in diesem kirschgeschwängerten Raum gefangen zu sein, bevor ich das Bewusstsein verliere.
Ich öffne das Fenster.
»Was machst du da, Caleb?«
Ich lasse mein Geschichtsbuch auf den Rasen unter dem Fenster fallen und bete, dass es noch ganz sein wird, wenn ich es wieder aufhebe. Dann schwinge ich ein Bein über das Fensterbrett. »Abhauen.«
»Wir sind im zweiten Stock. Du wirst dich noch umbringen.«
Ich werde mich nicht in ihrem Zimmer verstecken wie ein Gefangener. Außerdem gelingt es mir vielleicht, einen Ast von dem Baum zu erwischen, der einen Meter vom Fenster entfernt steht, wenn ich hoch und weit genug springe.
Sie rennt auf mich zu. » CB, nicht!«
Ich sehe tief in ihre blauen Augen. Wieso nicht? Weil du mich liebst, weil du nicht möchtest, dass ich mir wehtue … weil du mich mit nach unten nehmen und deinen Eltern und
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