Leaving Paradise (German Edition)
ihren Freunden eröffnen willst, dass wir zusammen sind, egal was war, und dass niemand uns trennen kann?
»Ich bekomme Ärger, wenn sie dich entdecken«, verkündet sie.
»Man sieht sich in der Hölle«, sage ich zu Kendra, bevor ich mich auf das Fensterbrett stelle, ein kurzes Gebet spreche und springe.
20 Maggie
Mrs Reynolds wartet auf der Verandaschaukel mit dem Mumu in der Hand auf mich, als ich bei ihr eintreffe, so wie sie es seit jenem ersten Arbeitstag jeden Tag getan hat. Ich habe erfolglos versucht, mich gegen das ungeliebte Kleidungsstück zur Wehr zu setzen. Also ziehe ich es inzwischen einfach an und sehe bei der Arbeit eben wie ein Volltrottel aus.
Ich brauche mir sowieso keinen Kopf zu machen, ob ich gut aussehe. Caleb und seine Freunde haben gemeint, der einzige Weg, wie ich an ein Date für den Abschlussball kommen könnte, sei, eine Anzeige im Internet aufzugeben. Ich habe sie beim Herbstfestival über mich lästern hören. In der Nacht habe ich geweint, weil ich die Uhr nicht zurückdrehen und ungeschehen machen kann, was passiert ist. Caleb hat bei den anderen gestanden, als hätte er nichts damit zu tun gehabt, dass ich so bin wie ich jetzt bin. Seine Nullreaktion hat mehr wehgetan als Drews Worte.
»Heute werden wir den Dachboden putzen«, verkündet Mrs Reynolds. »Hier, nimm den Besen. Ich nehme das Kehrblech und den Eimer.«
»Müssen wir nicht noch Blumenzwiebeln einpflanzen?«, frage ich.
»Ich kann keine Zwiebeln mehr sehen. Wir können morgen damit weitermachen.«
Sie führt mich die Treppe bis auf den Dachboden hoch. »Lass die Tür offen stehen, sonst sind wir hier oben gefangen.«
»Das ist gefährlich«, sage ich. Und gruselig. Ich fühl mich ein bisschen wie in einem Horrorfilm. Es gibt einen Türstopper, den sie auf dem Boden platziert, bevor wir den Speicher betreten. Es ist ein kleiner, düsterer Raum, voller Kartons und Bilder und … Spinnweben. »Mrs Reynolds?«
»Ja, Margaret?«
»Ich habe Angst vor Spinnen.«
»Wieso?«
»Weil sie acht haarige Beine haben, sie beißen und sie haben diesen klebrigen Faden, der aus ihrem Hintern kommt, mit dem sie Insekten fangen, ehe sie ihnen das Blut aussaugen.«
Ich rechne damit, dass Mrs Reynolds mich auslachen wird. Aber das tut sie nicht. Stattdessen sagt sie: »Spinnen regulieren die Insektenpopulation. Sie sind notwendig und mehr gibt es dazu nicht zu sagen.«
Das mag ja sein, aber ich kann sie trotzdem nicht ausstehen. Doch das hält Mrs Reynolds nicht davon ab, mich weiter in den Raum hineinzuführen – Eimer, Kehrblech und das alles inklusive. Ich bin nah dran, eine Version von It’s a hard knock life zu schmettern. Ich sehe mich um. Dieser Dachboden gehört definitiv zur gruseligen Sorte. Große Truhen in der einen Ecke, Umzugskisten in der anderen.
Mrs Reynolds entdeckt einen alten Stuhl und nimmt darauf Platz. »Du kannst damit beginnen, die Truhen abzustauben.«
Gott sei Dank befinden wir uns in der Mitte des Raums, der unberührt von Spinnweben ist. Die alte Dame ist perfekt vorbereitet. Sie holt ein Tuch und eine Dose Sprühreiniger aus dem Eimer. Ich sprühe etwas von dem Mittel auf den Deckel der Truhe und poliere das gute Stück, bis es glänzt.
»Mach sie auf«, sagt Mrs Reynolds.
Ich werfe ihr einen verunsicherten Blick zu.
»Nur zu.«
Ich öffne den Riegel, hebe den Deckel an und spähe hinein.
Das erste, worauf mein Blick fällt, ist eine gerahmte Fotografie von einem Mann und einer Frau. »Sind Sie das?«
»Ja, mit meinem verstorbenen Mann, Albert, möge er in Frieden ruhen.«
Auf dem Bild trägt eine sehr viel jüngere Mrs Reynolds ein knielanges, maßgeschneidertes Kleid und Satinhandschuhe, die ihr bis zu den Ellbogen reichen. Mr Reynolds blickt nicht einmal in die Kamera, er sieht Mrs Reynolds an, als sei sie ein kostbarer Diamant. »Haben Sie jung geheiratet?«
»Ich war zwanzig und er vierundzwanzig. Wir waren sehr verliebt.«
Ich reiche ihr das Bild. »Ich wünschte, meine Eltern würden sich noch lieben. Sie sind geschieden.«
»Ja nun, das Leben geht weiter, nicht wahr?«
»So ist es.« Sogar nach dem Unfall, als mir klar wurde, dass ich nie wieder normal würde laufen können, geschweige denn Tennis spielen, ging das Leben weiter.
Ob es mir nun passte oder nicht.
Mrs Reynolds beugt sich vor und betrachtet weitere Bilder. »Ich habe ein bisschen mit deiner Mutter bei Auntie Mae’s zusammengesessen«, sagt sie, während sie das Foto eines kleinen Jungen ansieht. »Sie ist
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