Lebe die Liebe
an Caines Worte, dass sein Vater immer seine Frau bei solchen Dingen vorschieben würde.
»Sie vermisst ihre Kinder sehr, müssen Sie wissen«, fuhr er fort. »Sie sind ja in alle Himmelsrichtungen verstreut. Aber wo gibt es heute noch Kinder, die sich darum kümmern, wenn ihre Eltern einsam sind? Dabei wäre meine Frau schon zufrieden mit ein oder zwei Enkelkindern«, fügte er treuherzig hinzu. In seiner Stimme schwang der Schalk mit.
»Nun …«
»Anna möchte ihre Kinder auf jeden Fall am nächsten Wochenende hierhaben«, unterbrach er Diana. »Und wir möchten gern, dass Caine Sie mitbringt.«
»Danke, Mr. MacGregor, ich …«
»Nennen Sie mich Daniel«, unterbrach er sie erneut. »Schließlich gehören Sie ja jetzt zur Familie.«
»Danke, Daniel. Ich freue mich über die Einladung, und ich werde gern kommen.«
»Gut. Dann wäre das also erledigt. Sagen Sie Caine, dass seine Mutter ihn bereits Freitagabend hierhaben will. Anwältin sind Sie, hm? Gut, sehr gut. Also dann bis Freitag, Diana.«
»Ja.« Diana stand auf, den Hörer noch am Ohr. »Auf Wiedersehen, Daniel.«
Sie ließ sich wieder in den Sessel fallen und schüttelte lächelnd den Kopf. Dieser Daniel MacGregor schien wirklich so originell zu sein, wie man es von ihm erzählte. Sie glaubte ihn förmlich vor sich zu sehen, so eindrucksvoll war seine Stimme am Telefon gewesen, seine ganze Art, sich auszudrücken, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Sein Lachen erinnerte sie sehr an Caine, und die Angewohnheit, eine Unterhaltung an sich zu reißen, schien er ebenfalls von seinem Vater geerbt zu haben. Aber was sollte dieses Gerede über den »guten Stall«?
Als Diana die Eingangstür unten ins Schloss fallen hörte, stand sie auf und ging zur Treppe. »Hallo!«
Caine hob den Kopf und lächelte ihr zu. »Hallo!«
»Wie ist es gegangen?«
Caine streckte sich und seufzte. »Ich habe drei Stunden mit Ginnie Day verbracht – das sagt wohl alles.«
Diana ging zu ihm und begann mit beiden Händen seine Schultern zu massieren. »Du magst sie wohl nicht?«
»Nein, absolut nicht.« Die Massage tat gut, und er versuchte seine Schultern so locker wie möglich zu lassen. »Sie ist ein verwöhntes, schlecht erzogenes Mädchen mit den Manieren einer Fünfjährigen.«
»Na, dann hast du bestimmt keinen angenehmen Nachmittag gehabt.«
Er drehte sich um und griff nach ihren Handgelenken. »Es kommt ja schließlich nicht darauf an, dass ich sie mag. Wichtig ist nur, dass ich sie so gut wie möglich verteidige. Es wäre allerdings einfacher, wenn Ginnie sich nicht unbewusst selbst zur besten Waffe des Staatsanwaltes machen würde. So wie sie sich benimmt, stimmt sie keinen von den Geschworenen milde. Das Gegenteil wird höchstens der Fall sein. Alle werden Mitleid mit dem Opfer haben.«
»Hast du heute noch irgendwelche Termine?«, fragte Diana.
»Nein.«
»Okay, dann zieh deinen Mantel wieder an«, sagte sie ganz spontan und wusste im selben Augenblick, dass eine solche Reaktion vor einigen Wochen noch völlig unmöglich für sie gewesen wäre. »Ich lade dich zum Abendessen ein. Und dann«, sie drehte sich um und nahm ihren Mantel von der Garderobe, »fährst du mit zu mir.«
»Wirklich?«
»Ja. Sieh mich nicht so erstaunt an. Was ist denn daran so außergewöhnlich?«
Caine gab keine Antwort, sondern half ihr nur lächelnd in den Mantel. Er wusste, dass er wieder einmal gewonnen hatte.
Zitternd vor Kälte schloss Diana ihre Wohnungstür auf. Das Abendessen in entspannter Atmosphäre hatte ihnen beiden gutgetan, sie auf andere Gedanken gebracht.
»Ich hole Gläser«, sagte Diana und stellte die mitgebrachte Flasche Champagner auf den Tisch.
Caine warf einen Blick auf das Etikett. »Hast du vor, meinen Verstand mit Champagner zu benebeln?«
Diana kam mit zwei Gläsern in der Hand zurück. »Warum nicht? Machst du die Flasche auf?«
»Sei aber nicht enttäuscht, wenn das nicht so klappt, wie du es dir vorstellst.«
»Meinst du?«
Diana stellte die Gläser auf den Tisch und ging dann lächelnd auf ihn zu. Ohne Caine aus den Augen zu lassen, griff sie mit beiden Händen unter die Revers seines Jacketts und streifte es ihm von den Schultern. Diesmal würde sie ausprobieren, wie weit ihre Stärke reichte und wie schwach er unter ihren Händen wurde. Sie band seine Krawatte los, und als Caines Arme sich um sie legten, berührte sie mit ihrem Mund spielerisch seine Unterlippe, beugte sich etwas zurück und fragte: »Was ist mit dem
Weitere Kostenlose Bücher