Lebe lieber innovativ
darauf, Cooliris zu einem derart attraktiven Arbeitsplatz zu machen, dass die Studenten darum betteln würden, dort anfangen zu dürfen. Cooliris sollte die angesagteste »Party« der Stadt werden. Also organisierten sie einige Veranstaltungen speziell für Studenten und sorgten dafür, dass sie bei Jobmessen den ansprechendsten Messestand hatten. Dort spielten sie Demoversionen ihres Produktes auf großen Plasmabildschirmen ab, so dass die Zuschauer aus dem Staunen gar nicht mehr herauskamen. Außerdem erhielt jeder Besucher des Standes eine schicke Sonnenbrille.
Darüber hinaus stellten sie die beiden Stanford -Studenten Jonah Greenberg und Matt Wahl als Praktikanten ein. Sie hatten die Aufgabe, Cooliris auf dem gesamten Stanford -Campus bekannt zu machen und herauszufinden, wer die qualifiziertesten Studenten waren, unabhängig von Alter und Studienrichtung. Jonah und Matt waren beliebt und sozial gut vernetzt und sie sprachen in ihren Bekanntenkreisen über Cooliris . So trugen sie dazu bei, dass es als angesagt galt, bei Cooliris zu arbeiten, und schließlich wurde das Unternehmen tatsächlich zum angesagtesten Arbeitsplatz weit und breit.
Bald darauf wurde Cooliris mit Bewerbungen überflutet. Aber wie sollten die Firmeninhaber nun entscheiden, welche Studenten sie einstellen sollten? Statt ein strenges Auswahlverfahren durchzuführen, beschlossen sie einfach, sich gar nicht zu entscheiden und stellten fast jeden ein – als Praktikanten. Das verschaffte ihnen die Möglichkeit, jeden Einzelnen in Aktion zu erleben, und die Studenten gewannen wiederum einen Eindruck von dem Unternehmen. Cooliris konnte die Praktikanten in einem Testlauf beurteilen und hatte nebenbei noch einen weiteren Vorteil: Die Praktikanten wurden zu glühenden Verfechtern der Produkte und des Unternehmens insgesamt
und warben zusätzlich ihre Freunde als Praktikanten und Kunden. Das half nicht nur bei der Personalbeschaffung, sondern brachte gleichzeitig auch das Geschäft in Schwung.
Dies verschaffte den Machern von Cooliris die Möglichkeit, sich weiter über die Regeln hinwegzusetzen. Sie schafften die Hierarchie zwischen Praktikanten und Vollzeit-Angestellten ab und beauftragten die Praktikanten mit wichtigen Projekten, für die sie ihnen auch die volle Verantwortung übertrugen. Jedem Praktikanten wurde ein Projekt mit einem anspruchsvollen Ziel zugeteilt. Um es zu erreichen durfte er alles tun, was aus seiner Sicht zum Erfolg beitragen könnte. Das fand natürlich alles unter Aufsicht statt, doch die Praktikanten waren dazu berechtigt, wichtige Entscheidungen selbst zu treffen. Ein grundsätzliches Ziel war es, die Anzahl der von Cooliris aktivierten Internetseiten zu erhöhen. Wie sie das erreichen würden, wurde den Praktikanten selbst überlassen, doch jeder Einzelne wurde dazu ermutigt, seine eigenen Ideen umzusetzen. So erkannte man ganz leicht, wozu jeder Einzelne im Stande war, und konnte diejenigen belohnen, die gute Arbeit leisteten.
Das war aber noch nicht alles. Cooliris hatte nun festgestellt, dass man am besten beurteilen konnte, wer gut ins Unternehmen passt, wenn man denjenigen in Aktion erlebte. Deshalb lud man hunderte Studenten als Probenutzer ein. Für die Bewertung neuer Produkteigenschaften ist das ein Standardverfahren. Doch Cooliris nutzte den Produkttest gleichzeitig für die Personalbeschaffung. Im Dialog mit jedem Tester lernten die Firmeninhaber seine Arbeitseinstellung kennen und fanden heraus, wie viel Leidenschaft er für das Produkt entwickelte. Letzten Endes konnten sie so feststellen, ob jemand gut zu ihrem Unternehmen passte. Im schlechtesten
Fall brachte dieses Vorgehen ihnen nützliche Rückmeldungen von Kunden und im günstigsten Fall einen neuen Mitarbeiter.
Man könnte meinen, dass es für eine Einzelperson oder ein kleines Start-up-Unternehmen einfacher ist, Konventionen infrage zu stellen und gegen Regeln zu verstoßen, doch auch in einem Großunternehmen kann man sich über die Regeln hinwegsetzen, die einen blockieren. Eine meiner ehemaligen Studentinnen, Tricia Lee, hat mir in diesem Zusammenhang von der Markteinführung des Zunes bei der Firma Microsoft berichtet. Der Zeitplan für die Entwicklung des Gerätes, das ein Konkurrenzprodukt für den iPod von Apple werden sollte, war äußerst eng. Auf halber Strecke stellte sich heraus, dass das Projekt innerhalb des vorgegebenen Zeitfensters gar nicht realisiert werden konnte. Die Software war nicht einmal annähernd fertig und wenn man
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