Lebe lieber innovativ
bei der üblichen Verfahrensweise – Tests und Kontrollen, Feedback-Runden und Bürokratie – geblieben wäre, hätte die Fertigstellung viel zu lange gedauert. Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, wurden die Softwareentwickler vom Rest des Projektteams abgekoppelt, um sich intensiver mit der Fertigstellung der Software beschäftigen zu können. Sie stellten den entscheidenden Teil des Softwarecodes fertig, was das Projekt wieder in den Zeitplan brachte, und das Gerät wurde letztendlich doch rechtzeitig fertig.
Unternehmen wie Microsoft setzen skalierbare Verfahren ein, das sind Vorgehensweisen, die große Gruppen quer durch eine große Organisation anwenden können. Skalierbare Verfahren sind aber nicht immer unbedingt effizient. Denn wenn es einmal wirklich »brennt« und alles ganz schnell fertigwerden muss, wie bei Tricia und dem Zune -Entwicklungsteam bei Microsoft , dann muss sich ein Unternehmen von gängigen
Vorgehensweisen lösen. Genau zu diesem Zweck rufen viele Unternehmen spezielle Arbeitsgruppen, sogenannte Skunk Works , ins Leben. Dabei wird ein Team aus regulären Arbeitsabläufen herausgezogen. Es bekommt die Erlaubnis, sich über Regeln hinwegzusetzen, und somit die Freiheit, anders zu denken und zu arbeiten.
In vielen Fällen sind Regeln dazu da, gebrochen zu werden. Dieser Gedanke steckt auch in dem viel zitierten Satz: »Es ist einfacher, erfolgreich um Vergebung zu bitten als um eine Genehmigung.« Die meisten etablierten Regeln sind der kleinste gemeinsame Nenner, der denjenigen, die eine Anleitung brauchen, wie sie sich verhalten sollen, einen festgesteckten Rahmen vorgibt. Wenn wir jemanden fragen, wie man am besten einen Film dreht, ein Unternehmen gründet, ein Aufbaustudium aufnimmt oder sich um ein politisches Amt bewirbt, gibt man uns oft eine lange Anleitung an die Hand, darunter auch immer den Hinweis, wir mögen uns zusätzlich die Unterstützung derer sichern, die schon Erfahrung in dem entsprechenden Bereich haben. Dann fallen meist auch die Stichworte Agenten, Startkapital, Prüfungen und Zulassungen. Die meisten Menschen entscheiden sich dafür, sich an diese Regeln zu halten – aber nicht alle. Man sollte nicht vergessen, dass es oft sehr kreative Wege gibt, um Regeln zu umgehen und traditionelle Hürden zu überwinden. Man kann auch an sein Ziel gelangen, wenn man eine Seitenstraße nimmt. So steht die Mehrheit der Autofahrer lieber in einem Stau auf der Hauptstraße und nur wenige andere, die etwas abenteuerlustiger sind, benutzen die Seitenstraßen und kommen so schneller an ihr Ziel. Natürlich haben manche Regeln den Zweck, für unsere Sicherheit und für Ordnung zu sorgen und verbindliche
Abläufe für eine große Anzahl Menschen festzulegen. Doch nebenbei lohnt es sich auch, ab und zu die Regeln infrage zu stellen. Manchmal gelangen wir auf Umwegen, die an den Regeln vorbeiführen, sogar dann an unser Ziel, wenn der reguläre Weg komplett versperrt ist.
Linda Rottenberg von der Organisation Endeavor erzählte mir einmal folgende Geschichte: Zwei Flugschüler, die beide Kampfpilot werden wollten, trafen sich, um sich darüber auszutauschen, was sie jeweils von ihren Lehrern gelernt hatten. Der erste Pilot sagte: »Mein Lehrer hat mir für das Fliegen meines Flugzeuges bestimmt tausend Regeln genannt.« Da meinte der zweite Flugschüler: »Und meiner nur drei.« Der erste freute sich insgeheim, weil er glaubte, mehr zu wissen und dadurch viel mehr Handlungsmöglichkeiten zu haben. Doch dann ergänzte sein Freund: »Mein Lehrer hat mir nur die Dinge genannt, die ich niemals tun soll. Den Rest hat er mir selbst überlassen.« Diese Geschichte verdeutlicht die These, dass es oft hilfreicher ist, die wenigen Dinge zu wissen, die wirklich gegen die Regeln verstoßen, als sich auf zu viele vermeintliche Vorgaben zu konzentrieren. Dieses Beispiel erinnert auch daran, dass zwischen Regeln und Empfehlungen ein großer Unterschied besteht. Wenn wir nämlich einmal alle Empfehlungen weglassen, die uns gegeben werden, bleiben oft nur wenige tatsächliche Regeln übrig. Genau nach diesem Grundsatz leitet Linda die Organisation Endeavor : Jedem Franchise-Unternehmen werden drei Dinge genannt, die es auf gar keinen Fall tun darf – der Rest ist voll und ganz Sache des Unternehmers selbst.
Wir können auch gegen Regeln verstoßen, indem wir uns von Erwartungen befreien, die wir selbst und andere an uns stellen.
Der Informatiker Armen Berjikly war immer davon
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