Lebe lieber innovativ
das Andere einfach nicht zu haben.
In der D-School wird großer Wert darauf gelegt, dass die Studenten hohe Risiken eingehen, um großzügig belohnt zu werden. Sie werden ermutigt, in sehr großem Maßstab zu denken, obwohl ihr Projekt durchaus scheitern könnte. Um diese Denkweise zu fördern, zeichnen wir besonders spektakuläre Fehlschläge aus. Den Studenten wird mitgeteilt, es sei viel besser, einen verheerenden Fehlschlag zu erleiden, als einen mittelprächtigen Erfolg zu haben. Diese Philosophie hat sich auch der Dekan der Stanford School of Engineering , Jim Plummer, zu eigen gemacht. Er rät seinen PhD-Anwärtern, für ihre Abschlussarbeit gezielt ein Thema zu wählen, das nur 20-prozentige Erfolgsaussichten hat. Einige Studenten fühlen sich davon entmutigt und interpretieren das so, als ob sie fünf verschiedene Themen in Angriff nehmen müssten, um eines davon erfolgreich zum Abschluss zu bringen. Doch genau das Gegenteil ist der Fall.
Die Versuchsanordnung sollte so aussehen, dass ein Fehlschlag ein informatives Ergebnis liefert und ein Erfolg einen maßgeblichen Durchbruch bringt. Kleine, schrittweise Versuche mit vorhersehbaren Ergebnissen sind längst nicht so wertvoll, wie ein hohes Risiko einzugehen, was unter Umständen zu einem viel lohnenswerteren Ergebnis führt.
Die Einstellung, sich mit einem Fehlschlag zu arrangieren und aussichtslose Projekte rechtzeitig zu verwerfen, hat auch eine Schattenseite: die Gefahr, zu schnell aufzugeben. Nehmen
wir als klassisches Beispiel die Geschichte der Post-it -Haftnotizen des Herstellers 3M . Alles begann mit einem Klebstoff, der nicht richtig kleben wollte und der später für ein Multi-Milliardengeschäft sorgte. Im Jahr 1968 erfand Silver Spencer einen gewissen »Niedrigkraft«-Kleber und warb firmenintern bei 3M dafür, doch anfangs war niemand interessiert. Erst 1974 stellte einer seiner Kollegen, Art Fry, fest, dass erden minderwertigen Klebstoff doch gut gebrauchen konnte, um in seinem Kirchengesangbuch Lesezeichen zu befestigen. Daraufhin entwickelte er in seiner Freizeit das Produkt, das wir heute als Post-it -Haftnotiz kennen. Doch erst sechs weitere Jahre später brachte 3M dieses Produkt in den Vereinigten Staaten auf den Markt. Heute verkauft das Unternehmen über 600 Post-it -Produkte in mehr als hundert Ländern der Welt. Stellen Sie sich einmal vor, welch große Chance die Firma 3M vertan hätte, wenn sie nicht erkannt hätte, welches Potenzial in dem »gescheiterten« Produkt steckte. Dieser wichtige Aspekt des Unternehmertums findet sich auch in der zu Beginn erwähnten Seminaraufgabe wieder, bei der die Teams »schlechte« Ideen in »gute« umwandeln sollten.
Wir balancieren sehr häufig auf dem schmalen Grat zwischen Erfolg und Misserfolg und nur äußerst selten steht vorher fest, auf welcher Seite wir landen werden. Diese Unsicherheit wird in Unternehmen mit hohem Risikopotenzial noch verstärkt, etwa in Restaurants, Technologie-Start-ups und sogar im Sport. In diesen Bereichen ist der Grat zwischen Erfolg und Scheitern mitunter so dünn wie eine Rasierklinge. Denken wir beispielsweise an die Tour de France . Auch wenn die Fahrer schon viele Tage lang über steile und kurvige Berge geradelt sind, ist es ein Zeitabstand von nur wenigen Sekunden, wenn nicht
sogar nur Tausendsteln, der am Ende die Gewinner von den Verlierern trennt. Manchmal ist nur ein winziger Schub nötig, um den Schalter von Niederlage auf Erfolg umzulegen.
Einige Unternehmen sind Meister auf dem Gebiet, geduldig den Wert von Produkten herauszuarbeiten, die andere längst als Fehlschläge verworfen haben. Marissa Mayer, Leiterin der Produktentwicklung bei Google , sagte einmal, man dürfe Vorhaben nicht zu früh beerdigen, oftmals müsse man sie einfach nur umwandeln. 10 Das heißt, man muss herausfinden, welcher Teil des Ganzen bereits funktioniert und was verbessert werden muss, anstatt gleich alles zu verwerfen. Marissa ist überzeugt davon, dass man jedem Projekt etwas Wertvolles abgewinnen kann, sogar dann, wenn es scheinbar nicht funktioniert.
Google und andere Internetfirmen setzen auf die A/B-Testmethode. Das bedeutet, sie bringen von einer bestimmten Software zwei Versionen gleichzeitig auf den Markt. So erhalten sie schnellstmöglich Rückmeldungen dazu, welche Version erfolgreicher ist. Mitunter unterscheiden sich die beiden Versionen nur in einem kleinen Detail – etwa die Farbe einer Schaltfläche, das Erweitern einer Botschaft um ein einziges
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