Lebe lieber innovativ
wollten. Wir verabredeten den Treffpunkt zur Abfahrt für drei Uhr am nächsten Morgen in der Hotellobby und ich sollte alles organisieren. Ich wollte die anderen auf keinen Fall enttäuschen, doch ich hatte keine Ahnung, was ich tun sollte. Alle naheliegenden Lösungen hatten nicht zum Erfolg geführt.
Gegenüber von meinem Hotel war eine Schule, an der Englisch unterrichtet wurde, und ich hoffte, dort zumindest jemanden zu finden, mit dem ich reden konnte. Der Pförtner schlug mir vor, einen 17-jährigen Schüler anzusprechen, der sich gerade in der Halle aufhielt. Ich stellte mich vor und setzte mich zum Plaudern zu ihm. Ich wollte ihn dazu bringen mir zu helfen, mein Ziel zu erreichen. Ich erfuhr, dass er ein fähiger Student, Musiker und Sportler war, der gerade dabei war, sich an Universitäten zu bewerben. Und schon hatte ich
die Lösung für mein Problem. Ich teilte ihm mit, dass ich ihm, wenn er mir helfen würde, meinen Ausflug zur Chinesischen Mauer zu organisieren, ein Empfehlungsschreiben für die Universität verfassen würde. Für ihn klang das ebenfalls nach einem tollen Vorschlag. Es kostete ihn ein paar Stunden Mühe, mein Problem zu lösen, und ich schrieb ihm nur allzu gern einen Brief, in dem ich sein Engagement, seine Kreativität und seine Hilfsbereitschaft beschrieb. So stellten wir gemeinsam eine wunderbare Win-win-Situation her.
Stan Christensen, der an der Stanford Kurse in Verhandlungsführung gibt, hat seine ganze Berufslaufbahn auf das Thema ausgerichtet, wie man den größtmöglichen Nutzen aus Verhandlungen ziehen kann. 2 Er hat festgestellt, dass den meisten Menschen viel Wertvolles entgeht, weil sie ihren Verhandlungspartnern mit falschen Annahmen begegnen. Stan empfiehlt, bei einer Verhandlung auf Überraschungsmomente zu achten, denn die zeigen Ihnen an, dass Sie von falschen Voraussetzungen ausgegangen sind. Er rät auch, einen Verhandlungsansatz zu wählen, der auf die Interessen und auf die Art des Verhandlungspartners abgestimmt ist und nicht auf Ihre eigenen. Gehen Sie nicht mit einem klar definierten Plan in eine Verhandlung, sondern hören Sie Ihrem Gegenüber zu und finden Sie heraus, was ihn bewegt. So tragen Sie dazu bei, für beide Seiten ein positives Ergebnis zu erreichen.
Das Elterndasein bietet unzählige Möglichkeiten, um das eigene Verhandlungsgeschick zu verfeinern. So wollte Josh beispielsweise vor einigen Jahren gern ein neues Fahrrad haben. Er wollte Radrennfahrer werden und dafür »brauchte« er ein geeignetes Rad. Er kam auf meinen Mann und mich zu und sagte: »Ich habe mich genau informiert und das ideale Rad für mich gefunden. Es ist mir wirklich wichtig, so eins zu
haben.« Unsere Antwort lautete: »Das ist ja schön, doch wir werden auf gar keinen Fall so viel Geld für ein Fahrrad bezahlen, allenfalls die Hälfte. Doch vielleicht findest du ja Mittel und Wege, um uns den Kauf dieses Rades schmackhafter zu machen.« Ich forderte Josh dazu auf, sich zu überlegen, was er für Mike und mich tun könnte, was uns genauso viel wert wäre wie der Preis des Fahrrads. Er sollte etwas unternehmen, um uns das Leben zu erleichtern.
Er überlegte ein paar Tage und machte uns dann einen Vorschlag. Er bot an, seine ganze Wäsche selbst zu waschen sowie dreimal pro Woche einzukaufen und an den jeweiligen Abenden für die Familie zu kochen. Mike und ich fanden den Vorschlag wirklich gut. Indem Josh seine Wäsche selbst wusch und das Abendessen zubereitete, sparte er uns viel Zeit und lernte wichtige alltägliche Dinge. Wir stimmten zu. Josh bekam sein Fahrrad und nahm seine neuen Verpflichtungen ernst. Wie alle Eltern hatten wir seitdem noch viele weitere Gelegenheiten, um unterschiedlichste »Abkommen« auszuhandeln. Das verdeutlicht, dass es das wichtigste Ergebnis jeder Verhandlung ist, den Grundstein für weitere Vereinbarungen zu legen. Die erste Übereinkunft ist immer nur der Anfang. Wenn sie gut ist, Rechte und Pflichten sich die Waage halten und beide Parteien ihren Verpflichtungen nachkommen, bestehen gute Aussichten, dass die nächsten Verhandlungen sogar noch reibungsloser verlaufen werden. Wie schon mehrfach erwähnt, ist die Welt sehr klein und Menschen begegnen einander in der Regel mehrmals im Leben.
Es gibt natürlich auch einige Fälle, in denen man keine Win-win-Situation herstellen kann und in denen man besser ohne Ergebnis auseinandergeht. Um das zu veranschaulichen, lässt
Stan seine Studenten einen Verhandlungsfall aus dem
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